Dieses Blog handelt vom Reisen und mit Reisen meint man meistens Reisen in In- oder Ausland, jedenfalls in die äußere Welt. Man kann aber auch in die innere Welt reisen, und das ist häufig eine ebenso spannende Reise in ein unbekanntes Land. Wenn man die Haut um den eigenen Körper als eine Art Randbegrenzung versteht, dann gibt es eben Reisen außerhalb dieser Randbegrenzung und es gibt Reisen innerhalb dieser Randbegrenzung.
Bei unseren Schulungen zur Naturverbundenheit und Naturwahrnehmung nach Art der Native Americans beispielsweise haben wir auch erfahren, dass das Outer Tracking (nach Tieren oder Tierspuren) einhergeht mit dem Inner Tracking (den Resonanzen in der eigenen Gefühls- und Gedankenwelt). Das ist insofern interessant, als dass man Meditation und Innenschau meist mit fernöstlichen Philosophien und Lehren verbindet.
Besuch im buddhistischen Kloster
Und tatsächlich sind Beate und ich zu einer Reise in die Innenwelt aufgebrochen, die uns nach Plum Village in Südfrankreich, etwa 80 Kilometer von Bordeaux geführt hat. Dort lehrt der nahezu legendäre vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh Achtsamkeit und Meditation. Besonders für Beate mit ihrem evangelisch-freikirchlichen Familienhintergrund eine ungewöhnliche Tour in ein Neuland.
Eigentlich handelt es sich um ein buddhistisches Kloster, in dem Dutzende Mönche und Nonnen nach Geschlechtern getrennt in drei Unterabteilungen leben (Lower Hamlet, Upper Hamlet, New Hamlet). Und eigentlich handelt es sich bei diesen drei Hamlets um ehemalige Bauern- oder Gutshöfe bzw. Landhäuser. Jenseits der großen Meditationshallen kommen sie mit erstaunlich wenig buddhistischer Deko daher. Manches deutsche Seminarhaus strotzt da eher von Figuren und Figürchen.
Und ebenso werden alle interessierten Menschen aufgenommen – und dabei keineswegs irgendwelche Bekehrungsversuche gestartet. Man hat die Retreat-Regeln zu beachten, mehr nicht. Die bedeuten u.a. um 5 Uhr aufzustehen und um 5.45 Uhr zu ersten Meditation in der entsprechenden Halle zu sein; von 21 Uhr bis etwa 8 Uhr gilt allgemeines Schweigen. Beim Essen warten alle, bis alle da sind, und alle werden mit einer kurzen Verbeugung begrüßt, wenn man sich setzt.
Das Essen ist vegan, da die Regel gilt, möglichst keinem Lebewesen ein Leid zuzufügen. Das kann dazu führen, dass eine Nonne ein kleines Insekt, das auf dem Teller beim Abspülen entdeckt wird, sorgsam in die Hand nimmt und nach draußen bringt. Fürs achtsame Essen gilt, einen Bissen lange lange zu kauen, und keinen anderen währenddessen schon auf die Gabel zu nehmen. Man soll bei dem sein, was man gerade zu sich nimmt, und nicht in Gedanken oder vor Gier schon beim nächsten.
Be beautiful. Be yourself.
Man ist viel mit sich allein zusammen (und soll das auch sein), gleichzeitig in einer großen Gemeinschaft, die Geborgenheit vermittelt (auch das soll sein). Nicht nur wegen der Geh-Meditation wird man sehr langsam und ruhig, und das wiederum hat wenig mit dem oberflächen Begriff von „Entschleunigung“ zu tun.
Vielmehr geht es darum, sich selbst genug zu sein. Bei sich selbst zuhause zu sein. Bei sich selbst ankommen. Vielleicht drückt sich das alles am besten in dem Satz aus: be beautiful, be yourself. Und man kann sicher sein, dass damit keine Egomanie nach Art von Hollywood-Stars gemeint ist.
Trainingslager des Geistes
Ein solches Retreat ist eine Art Trainingslager des Geistes. Dig deep, search your own soul. Man wird dort nicht immer angenehme Dinge vorfinden; manches Verdrängte obendrein. Achtsamkeitsmeditation ist eine Einsichtsmeditation – es geht nicht um Entspannung im eigentlichen Sinne, sondern um den Gewinn einer Einsicht – in sich, in das eigene Leben.
Ein häufiges Missverständnis: Meditation ist keine Wellness. Sie ist eine Abenteuerreise auf den Grund des eigenen Seins. Nur wer mutig ist, mag sich den Dämonen, denen man dabei begegnet, stellen. Daraus kann sich entwickeln, dem Leben und seinen Herausforderungen gelassener und gleichmütiger zu begegnen – und daraus resultiert dann Ent-Spannung.
Leben und Pläne
Eine intensive Übungsform also, aber setzt man die dabei gelehrte Haltung fort, kann Reisen ein Dauer-Retreat bedeuten: Den Besitz auf einige wenige Gegenstände reduziert, die man wirklich braucht und deren Sinn oder Unsinn sich beim unterwegs-sein deutlich wird; immer in dem sein, was man gerade tut – und nicht schon woanders oder mit den Gedanken in der Zukunft oder Vergangenheit.
Das, was vor einem liegt, ist genau das Stück Straße, auf der man das Fahrzeug lenkt. Und sicherlich hat man einen Blick auf die Karte geworfen, um ungefähr zu wissen, wo es lang geht und in etwa hingehen soll. Aber mehr auch nicht. Leben ist was passiert, so wird John Lennon zitiert, während man andere Pläne macht.