Leinen los zur rechten Zeit: Die Praia da Marinha verließen wir am Dienstag Mittag offensichtlich rechtzeitig – ein oder zwei Tage später wurden die dort frei stehenden Wohnmobilisten von den portugiesischen Ordnungshütern verscheucht und Erdwälle aufgeschüttet, um den Zugang zum Gelände oberhalb der Klippen des Strandes zu versperren.
Solcherlei kommt an der von überwiegend weißen Wohnmobilen mit französischer, niederländischer, britischer und deutscher Besatzung an Bord überfüllten Algarve nicht selten vor – zu viele Plastik-Protzkisten mit zu vielen ignoranten Besitzern sind unterwegs. Da bricht sich eine Art Neo-Imperialismus die Bahn, der sich in Landnahme untem Freiheits-Fähnchen äußert: Der weltenbummlerische Wohnmobilist nimmt sich die Freiheit, auf jedem Fleckchen Land zu stehen, das ihm gefällt, möglichst nahe am Strand, am See, an den Klippen, am Fluss.
Spießbürger in Sandburgen
Die berechtigten Interesse der Anwohner auf freien Ausblick oder auch nur Sauberkeit fallen diesem Freiheitsdrang zum Opfer, vom Motto der Urban Explorer – leave nothing but footsteps, take nothing but pictures – hat diese Fraktion der postmodernen Pseudo-Nomaden im Zeichen der Satelliten-Schüssel selten gehört. In Facebook-Gruppen stellt sich solche Selbstgefälligkeit, ohne es zu merken, an den Pranger: Empörung wogt, wenn das vermeintliche “Recht”, sich wo’s beliebt hinzustellen, und den mobilen Hausrat samt Wäsche flächendeckend auszubreiten, angezweifelt wird. Ihren Unrat lassen sie gerne da.
Die Spießbürgerlichkeit des Häuslebauers unter Schuldenlast wird nahtlos ins mobile Eigenheim transferiert. Die Kosten der Unterkünfte liegen mitunter nicht weit auseinander. Und umgekehrt: Wie würden die Nachbarn im mittelhessischen Pendlerdorf reagieren, käme ein Edelwohnmobilfahrer mit EU-Kennzeichen auf dem Feldweg an der Apfelbaumreihe des anrainenden Hügelkamms zu stehen, nachdem er ein paar Büsche umrangiert hat und erklärte, es gefalle ihm hier so gut, dass er ein paar Tage bliebe?
Verhalten sich Offroad-Reisemobilfahrer anders? Meist ja, denn ihr reduzierter Lebensstil und ihre Reise-Erfahrungen in ferne, arme, ressourcenknappe Länder verleihen ihnen häufig eine andere Sensibilität (häufig, nicht immer, nicht bei jedem). Meine These bestätigt ein bayerisches Paar mit einem 416er Unimog, der dezent geparkt am Praia da Marinha stand. Sie erwiesen sich als langjährige Land Rover-Afrikareisende; sie waren auf dem Weg in den Maghreb, und wir tauschten Marokko-Geschichten aus.
Wir sind an den so genannten Praia dos Tomatos weitergefahren, auf einen weitläufigen Parkplatz hinter dem Strand – der fest in deutscher Weißwomo-Hand ist. Da kommt schon mal Handtuch-auf-Badeliege-Mentalität auf. Aber wir hatten uns dort mit Nima & Steve von Abenteuer Unterwegs verabredet, die am Praia dos Tomatos einen Zwischenstopp vor ihrer Tour nach Andalusien und Marokko einlegten. Beide positive Beispiele fürs moderne Vagabundentum.
PS- und Protz-Stärken
Die beiden leben seit zweieinhalb Jahren in ihrem roten Oldtimer-Mercedesbus und hielten sich in dieser Zeit in Spanien, Albanien und Griechenland und Portugal auf. Außer dem H-Kennzeichen und der Sensibilität gegenüber örtlichen Gegebenheiten verbindet uns mit ihnen, dass sie ein sportlich-aktives Leben führen – mit Klettern & Bouldern, Laufen und Wandern, Yoga und Meditation. Und Vegetarierin Nima betätigt sich sowohl als Texterin als auch als Coach.
Solcherlei ist in der Wohn- oder Reisemobil-Szene nicht so häufig anzutreffen: Bei den „Weisswomos“ (die ja nicht immer weiß sind) etwa beherrscht Fleischfraß und Alkoholkonsum eher die vom In-der-Sonne-liegen müden Leiber… und die PS- und Protz-Stärke geht mancherorten mit entsprechender Leibesfülle einher. Wir verstanden uns auf Anhieb gut. Die spannendsten Menschen, die wir auf Reisen antrafen: Mit Nima und Steve haben wir zwei schöne Tage verbracht, bevor wir Grünimogs Fahrzeugschnauze gen Badajoz im Norden richteten