Wenn wir reisen, reisen wir, um unterwegs und draußen zu sein. Um näher dran zu sein. Um das Unstete zu leben. Und das Weiterkommen.
Naturwissen und Verbindungen zur Natur wurden bei so genannten archaischen Jäger- und Sammlervölkern von Generation zu Generation weitergegeben. Leben und Lernen war eins, die Überlieferung erfolgte mündlich und als Vermittlung von Erfahrung – eine „Naturalphabetisierung“ in der Schule der Wildnis und des Überlebens. In dieser Welt spielten Texte und Lexika keine Rolle, wohl aber Älteste und Lehrer, die als praktische Vorbilder dienten und die wussten, wie man wichtiges Wissen vermittelt – nicht als trockenen Lehrstoff an der Schiefertafel oder auf dem Computerbildschirm.
Der Knowhow-Transfer erfolgt bei nativen Völkern durch Mentoren: Nicht Lehrer, die direktiv „Stoff“ vortragen und abfragen, sondern ein sanftes Hineinschubsen in eine Aufgabe, ein Erlebnis, eine Anforderung praktizieren. Im Vorübergehen quasi. Mentoren leiten ihre Schützlinge sanft an, bringen sie an ihre Grenzen und weisen verspielt auf das, was jenseits dieser liegt.
Junge wie ältere Menschen, kleine und große, müssen sich mit der Natur verbinden, um Kreativität und Phantasie, innere Ruhe und Reichtum, Spontanität und die Fähigkeit zu entwickeln, mit unvorhergesehenen oder sich unvermutet ändernden Situationen umzugehen.
Zuhause in der Natur, ist das Motto. Mehr noch, wie Gary Snyder schreibt: Nature is not in a distance. It is home. Man kann die Natur fragen und sich ihre Antworten anhören. Dazu muss man ihr zuhören, und das braucht Geduld und Zeit – wenn man Antworten von der Natur bekommen will, muss man sich ihrem Zeitverständnis anpassen, nicht umgekehrt.
Und wie es sich für Gäste gehört, sollte man nicht zu forsch sein, und vielleicht sich den Bäumen, Pflanzen, Tieren, Vögeln, Insekten und all den anderen Anwohnern in diesem Heim vorstellen und von seinen Absichten erzählen. Wir sind umgeben vom Stehenden Volk, den Pflanzenleuten, den Steinwesen.
Schalte deinen Verstand aus und komme zu Sinnen, hat unser Lehrer Axel Trapp betont. Westliche Bildung besteht überwiegend darin, Wissen und Infos sammeln, strukturierte Gedanken sind ebenso erwünscht wie rational-analytisches Denken – Wissen und Kenntnisse werden aber so häufig segmentiert oder stumpfsinnig gepaukt: Es kaum einen realen Anwendungszusammenhang.
Natives Lernen besteht darin, eine Beziehung aufzubauen und Wahrnehmung auf vielen Ebenen zu fördern – bis hin zum Reinfühlen in Tier oder Pflanze. Aus westlich-wissenschaftlicher Sicht ist das unstrukturiertes Wissen, aber es verfügt und vermittelt jede Menge praktische Erfahrungen und Kontexte. Wer wird im australischen Outback besser zurechtkommen – ein „ungebildeter“ Aborigine oder ein an einer Universität ausgebildeter Biologe?
Mentoring soll also keine Informationen vermitteln (der Mentor muss nicht alles auswendig daherbeten können!), sondern Beziehungen (zur Natur, zu den Menschen, zum Selbst) schaffen. Der alte Weg der Jäger- und Sammlervölker besteht darin, einen sich wiederholenden Zyklus von Besuchen, Erkundungen und dem Aufbau von Beziehungen zu etablieren: Lebendiges Lernen unter dem Motto: Das Wissen liegt im Tun!
Diese Kunst des Mentorings ist eine sehr persönliche Reise, die auf Spontanität und Improvisation beruht und auf Sinneswahrnehmung, Neugier, Leidenschaft einen besonderen Schwerpunkt legt. Fähigkeiten werden dabei nicht bewertet, gespeicherte Informationen nicht abgefragt.
Es gibt eine Reihe von Kernroutinen, die immer wieder durchlaufen werden, die aber weder Unterrichtsstunden sind noch Kenntnisse – sondern Lerngewohnheiten: auf den Sitzplatz gehen, Naturtagebuch führen, Geschichte des Tages am Lagerfeuer erzählen (oder dem eigenen Tagebuch), Tiere imitieren und sich in sie und ihre (Über-)Lebensstrategie einfühlen, ziellos umherstromern und sich vom Körperradar steuern lassen, schleichen & pirschen und Outdoor Skills üben, Karten zeichnen, … und vor allem: nach irokesischem Muster Dank sagen.
Damit schaffen wir im Coyote Mentoring lebendiges, lebenslanges Lernen. Ein Lernen, das unter die Haut geht und zurückbringt, was bei all den glowing screens verloren gegangen ist. Keine Computeranimation in Hausmauern, abgeschottet von Welt und Witterung, kann das eigene Erleben im Draußen ersetzen.
Die Natur muss gefühlt werden. Wer nur sieht und abstrahiert, kann ein ganzes Menschenalter im Lebensgedränge der glühenden Tropenwelt Pflanzen und Tiere zergliedern. Er wird die Natur zu beschreiben glauben, ihr selbst aber ewig fremd sein.
Alexander von Humboldt