Der Ausflug nach Albanien währt nur kurz. In einem kleinen Bergdorf mit engen Kurven bei steilem Anstieg muss ich den Unimog hin und her manövrieren. Als ich ihn am Ortsausgang parke, ist deutlich ein pfeifendes und blubberndes Geräusch am linken Vorderradgelege zu hören.
Achsöl läuft den Reifen runter. Zumindest solange der Allrad-Antrieb eingeschaltet ist. Dabei verlieren wir Druckluft. Wir kommen der Sache nach eingehender Begutachtung nicht wirklich näher – und beschließen, in Richtung Griechenland umzudrehen. Angetrieben nur mit der Hinterachse, was auf normalen Wegen kein Problem ist, auch wenn sie in schlechtem Zustand sind.
Pannen-Problem in Albanien
Aber: In Albanien spricht kaum jemand englisch. In Griechenland sprechen viele Menschen ein gutes Englisch und häufig ein noch besseres Deutsch. In Griechenland sieht man viele MAN- und Mercedes-Lkws, fährt an Militär- und Feuerwehrstützpunkten vorbei, auf dessen Höfen Unimogs zu sehen sind.
Eine Panne in Griechenland, so stetig unsere Einschätzung, dürfte dort einigermaßen gut in den Griff zu kriegen sein. In Albanien kann man auf solcherlei nicht unbedingt spekulieren. Ich mache Fortschritte als Selfmade-Kfz-Mechanikerslehrling; aber für größere Probleme reicht das nicht.
Albanien, generell, ist als Offroad-Paradies in Europa bekannt – aber für kleine Fahrzeuge wie Land Rover und Toyota. Für die Gelände-Lkws weisen zu viele spektakuläre Strecken Schwierigkeiten hinsichtlich Durchfahrts-Breite oder -Höhe auf. So hat beispielsweise die in der Fernreisen-Szene relativ bekannte Pistenkuh ihr Standard-Fahrzeug, einen Steyr-Truck, bei ihrer Albanien-Tour zuhause gelassen und extra für kleines Geld einen Hyundai Galloper erstanden.
Eigentlich wollten wir erkunden, wie weit und wohin wir mit dem Unimog kommen. In den Pyrenäen hatten wir schon einige atemberaubende Engstellen gemeistert bzw. hatten Vertrauen in die Fahrkünste des Lenkers und das Zusammenspiel zwischen Fahrer und Einweiserin sowie die Manövrierfähigkeit des Unimogs bei sehr begrenzten Platzverhältnissen gewonnen.
Allein reisen geht mit Zurückhaltung einher
Klar war selbstverständlich, dass kleine Bergdörfer mit ihren Sträßchen und Gassen samt niedrig gebauten Balkonen für die 3,60 Meter Höhe des Unimogs unpassierbar bleiben würden. In Marokko und Island herrscht auf den Pisten und Straßen viel freier Raum nach links, rechts und oben – selbst im Atlas-Gebirge war es auf den alten Militärpisten nie so eng geworden wie in besiedelten Randgebieten Europas.
Aber da man selten weiß, wie sich eine Piste in unwegsamen und trotz aller Staellitenbilder letztlich unbekanntem Gelände entwickelt, ist Vorsicht geboten. Ohne die Sicherheit, die einem der Allradantrieb bietet, lässt man sich auf ein sehr ungewisses Spiel ein. Und natürlich gilt: Wenn ein Siebeneinhalbtonner wie der Unimog feststeckt oder gar umfällt, braucht es ein entsprechendes Fahrzeug, dass ihn wieder rauszieht oder auf die Räder stellt – mit einem kleinen Traktor ist da nicht viel zu machen.
Rund 150 Kilometer waren wir nach Albanien reingefahren, bevor wir zu der Erkenntnis kamen, dass ohne zuschaltbaren Vorderradantrieb (mit dem Defekt geht einher, dass wir Druckluft verlieren und somit irgendwann Probleme mit dem Bremsen bekommen) eine Weiterfahrt gen Norden keinen wirklichen Spaß mehr machen würde.
Bis dahin hatten wir mit einer kleinen Fähre (der Fährmann war ganz sicher, dass der Unimog sie nicht zum Kentern bringen würde) im Süden des Landes zur historischen Schaustätte in Butrint (siehe dazu Wikipedia) übersetzt und uns das „Blaue Auge“ (Syri i Kalter, siehe Wikipedia) angesehen. Ersteres beeindruckend, zweiteres eher enttäuschend (weil klein und wenig spektakulär – und, nein, es muss nicht immer spektakulär sein; aber nach den begeisterten Beschreibungen in Reiseführern und von Bekannten hätte ich mehr erwartet).
In meinem Reisetagebuch sieht das kurz und knapp so aus: -> Blaues Auge (enttäuschend) -> Libohove (langweilig) -> Libove e Kryqit (hübsch, + Kirche). Alle Albanien-Kenner mögen mir verzeihen!
Deswegen bleiben uns von Albanien am besten in Erinnerung – die Leute. Auch wenn ihre Sprache in unseren Ohren völlig unverständlich klingt, doch allesamt sehr nett und freundlich. Auch wenn ein ungebrochener Macho-Kult mit enormen Zigaretten-Konsum und gelegentlichen Goldkettchen einhergeht. Dass das traditionelle Rollenverständnis kaum ins Schwanken geraten ist, mag das Schild an einer Toilettentür unterstreichen:
Wobei Goldkettchen-Träger schon mal mit einem Porsche Cayenne vorfahren – man soll nichts Böses denken, aber ein solches Fahrzeug legt in diesem Armenhaus Europas den Verdacht nahe, dass der Besitzer über ganz eigene Finazquellen verfügt. Diese standen einem ärmlich gekleideten Barbesitzer am Strand von Monastir gewiss nicht zur Verfügung, der uns Bier aus einem alten Kühlschrank servierte und verlegen die verstaubten und verdreckten Holztische putzte.
Wenn wir richtig verstanden haben, sind wir vor der eigentlichen Saison eingetroffen… und ja: Es ist in Ordnung hier heute zu übernachten! Eine Gruppe Jungs springt derweil von fünf bis zehn Meter hohen Felsen kopfüber in die Brandung, schwimmt im schäumenden Meer an Land – und überlebt das auch unbeschadet und unverletzt. „Helikopter-Eltern“ können die jedenfalls nicht haben!
Bei der Fahrt durchs Land sehen wir viele, viele große und kleine Beton-Bunker, die langsam vor sich dahin rotten. Auch unseren an und für sich sehr schönen Strand „ziert“ ein gewester MG-Stand. Angeblich wurden diese Stellungen zwischen 1972 und 1984 erbaut, weil die albanische Regierung glaubte, sich gegen allen und jeden verteidigen zu müssen (Bunker in Albanien, siehe Wikipedia).
Viele Menschen, viele Völker, viele Religionen, viele Ideologien sind über Albanien im Laufe der Jahrhunderte hinweggezogen. Zahllose Überreste zeugen davon. Am Rande Europas gelegen ist es ein sehr spannendes Land, wenn man sich darauf einlässt. Traurig drehen wir um und sind sicher, dass wir bei nächster Gelegenheit einen neuen Versuch starten werden, Albanien besser kennenzulernen.