Always follow the truck traces


Da meine Mutter im spanischen Galicien an der Atlantikküste seit Jahrzehnten wohnt, bin ich viele Jahre viele tausend Kilometer dorthin zu Besuch gefahren. Man quert dann zwangsläufig das Baskenland, und immer habe ich die gleiche Erinnerung: düster, grau, schwer, erdrückende Berge, schlechtes Wetter, hässliche Industrieanlagen in die Täler gepresst. Kaum bin ich über die Grenze bei Irun, erfasst mich die traditionelle Euskadi-Depression.

Zum ersten Mal erfahre ich das Baskenland nunmehr nicht von der Autobahn in Richtung Burgos und Ourense, sondern habe die Mautpiste so bald wie möglich nach Grenzübertritt verlassen. Über kleine, krickelige Landstraßen bin ich in Zegama gelandet, auf einem Wohnmobil-Stellplatz am Hang. Ausgangspunkt für ein kleines Wander- und Trailrun-Paradies. Vielleicht ist das ja was für unseren geplanten sommerlichen Besuch der Pyrenäen und Nordspaniens – und könnte ein Gegengewicht zur Euskadi-Depression schaffen…

Dorthin bin ich gestern Nacht nur auf Umwegen geraten, nachdem ich meine Navi-Anweisungen fehlinterpretiert hatte, und auf einer engen-kleinen-schmalen Auffahrt mit Spitzkehren in ein paar Sackgassen, Hinterhöfen und schließlich im Niemandsland landete. Eigentlich ist der Unimog mit seinen sechs Metern Länge und 2,30 Metern Breite nicht wirklich groß, aber für spanische Seiten- und Anliegerstraßen doch sperrig. Und im Dunkeln zu wenden, ist alleine nicht wirklich einfach.

Heute bin ich im – wie könnte es im Baskenland anders sein – im Trüben, Regnerischen, Nebligen aufgewacht und hab schnell den Motor angeworfen. Eine winzige, schmale Straße mit Felsrändern folgt; vielleicht ist es sogar besser gewesen, dass ich die in der gestrigen Nacht nicht so richtig gesehen habe. Bei 3,60 Meter Fahrzeug-Höhe hofft der Fahrzeug-Lenker, dass er keine Bäume, deren Äste, Überhänge o.a. streift.

Frei sein geht mit ausgeliefert sein einher

Dann werden die Straßen immer breiter, schließlich rollen die alten Militärreifen auf der Autovia. Ab dann wird’s langweilig, aber auch bequemer und schneller. Der Unimog schnurrt fast. Auch wenn ich immer wieder besorgt auf ungewöhnliche Geräusche lausche. Keine unsere Touren ging bislang ohne – teilweise gravierende oder gefährliche – Pannen vonstatten; eine gewisses nervöses Grundrauschen bleibt niemals aus.

Das Navi fällt prompt im entscheidenden Moment aus und ich fälle bei der Live-Navigation nach Gefühl prompt die falsche Entscheidung. Ich fahre zehn Kilometer die Autobahn in die falsche Richtung, dann zurück auf der N1, dann wieder Autovia. Ärgernisse gehen auch anders: Bei einem Tankstopp stelle ich fest: Jemand hat sich am Schloss der Beifahrertür wohl mit einem Schraubenzieher zu schaffen gemacht – aber wann und wo? Wohl am ehesten auf der für Gauner berüchtigten Frankreich-Transitstrecke; beunruhigend bleibt, dass ich nichts davon gemerkt habe und das Fahrzeug so gut wie nie verlassen hatte…

Binde dein Kamel an

Ich überprüfe meine Sicherheitsstrategie – ja, es gibt eine – und beschließe, nichts mehr im Fahrerhaus zu lassen. Ich benutze zwar ohnehin keine neuwertigen oder High-End-Geräte – was Teil meiner Sicherheitsstrategie wie meiner Lebensphilosophie ist (Ja, ich habe eine. Minimalismus. Und – Allah ist groß, aber er sagt auch: Binde dein Kamel an!).

Immer wieder machen wir die Erfahrung, dass die große Freiheit auch ihre Schattenseiten hat: Der Vagabund ist eben auch vogelfrei, ausgeliefert, schutzlos gegenüber den Ortsansässigen (die ihn immer in der Geschichte als Gefahr betrachtet und daher verfolgt haben). Er muss sich selbst alleine, der genutzten Technik vertrauen. Der Vagabund kann nur eines: weiter.

Lkw-Raststätten sind Schutz-Orte

Ich komme bis Salamanca, und übernachte dort in einem nie gebauten Wohngebiet, nahe einer Tankstelle, viele Lkws stehen auch rum. Es gibt hier nur Straßen, Laternen, Parkbuchten und leere Bauparzellen. Ich empfinde Lkws immer als wohltuend und suche ihre Nähe. Da ist immer jemand, der sich mit Lkws auskennt und der helfen kann.

Auch mag ich das Brummen der Diesel, ich schlafe gut dabei; auch beim Geräusch von Kühl-Aggregaten. Auch wenn der Vegetarier-und-Teilzeitveganer in mir nicht vorstellen mag, was da gekühlt wird. In der Ferne sieht man die Kathedrale, dramatisch angestrahlt. Da geht es morgen hin, nehme ich mir vor. So viel Zeit muss sein.