An Südafrikas Nordseeküste

Nr. 5 am Arniston Seaside Cottage

An den Linksverkehr bei Rechtslenkung kann man sich schnell gewöhnen, tatsächlich fahren die meisten Menschen in Südafrikas Western Province fast schon hawaiianisch entspannt. Ein paar Offenbacher gibt’s immer und überall; und ich frage mich wiederholt, was die Marketing-Abteilung der Firma BMW wohl dabei empfindet, dass der bayerische Autobauer mit dem 3er ein Fahrzeug kreiert hat, dass überall auf der Welt rücksichtslose Vollgasdeppen anzieht. Wer von dieser Brut in Südafrika nicht so viel Geld besitzt, fährt – immer noch – lautstark Golf GTI.

Abgesehen davon findet sich in Südafrika das erstaunliche Phänomen, dass an Kreuzungen vier Stoppschilder stehen – und das nach Reihenfolge der Ankunft gefahren werden darf. Das funktioniert erstaunlich phänomenal reibungslos. Ebenso das yellow line driving – auf zweispurigen Straßen ist der Randstreifen mit einer gelben Linie abgegrenzt und darf befahren werden, wenn man schnellere Fahrzeuge überholen lassen will, ohne dass diese auf die Gegenfahrbahn ausweichen müssen. „Danke“ und „bitte sehr!“ werden dabei durch kurzes Antippen der Warnblinker bzw. der Lichthupe freundlich signalisiert. Aber, obacht!, auf dem Randstreifen steht schon mal ein Pkw oder Lkw oder kommen Fußgänger entgegen.

(BTW: Das weit verbreitete Verhalten der Südafrikaner, viel und freundlich zu grüßen, scheint in Deutschland ja schon seit Jahrzehnten aus der Mode gekommen zu sein. Oder es hat nie existiert. Uns fiel schon in Namibia auf, dass die Besucher aus der Republik Südafrika weithin über die nicht eben kleinen Campsites winken.)

Wingerte wie in der Wetterau

Auf diese Art und Weise geht es ab Stellenbosch durch die Winelands, an der sich eine „Weinerei“ an die andere reiht. Denglish? Ich glaube, die älteren, alten und ältesten Bewohner hessischer Dörfer kämen kaum auf die Idee, dass die Wingerte oben am Ortsrand – also die Weingärten – sprachlich nicht weit weg von winery oder vineyards liegen…

Tatsächlich mutet die Landschaft streckenweise den Landstrichen zwischen Wetterau und Vogelsberg nicht unähnlich an, auch wenn im Hessischen nicht so viele Wein-Felder (Wein-Berge gibt’s weniger rund um Stellenbosch) unter Sonne satt angesiedelt sind. Die schroffe Bergformation rund um den Jonkershoek wiederum mutet pyrenäenartig an, inklusive von Wolken umwaberter Gipfel.

Western Cape und südlicher Rand der Western Province sind grün (und das offensichtlich auch im übertragenen Sinne, denn ich habe noch nie ein solch weit verbreitetes Angebot vegetarischer und veganer Gerichte in großen und kleinen Restaurants wie selbstverständlich angeboten gesehen – und dabei nicht bloß den kleinen Beilagensalat, der in der deutschen Gastronomie dargeboten wird); wer auf Wüstenerfahrung wild ist, ist am verkehrten Platz.

An der Küste wird klar, warum sich Holländer ansiedelten: Hier gibt es echtes Nordsee-Feeling mit Sandstränden, Dünen und kaltem Wasser. Da man in der fremden Ferne erst einmal so baut, wie man es von zuhause gewohnt ist, stellten sie ihre heimischen Reetdachhäuser an den afrikanischen weißen Strand – wir erleben dies etwa in Langebaan und in Paternoster an der Westküste, und ebenso in Arniston an der Südküste, wo uns – ganz passend – ein mehrtägiges Unwetter aus dem Land Rover in ein Cottage vor den offenen Kamin zwingt: Dieses könnte friesischer nicht anmuten und man möchte sofort „Tote Tante“ und „Pharisäer“ ordern.

In Wijk auf Föhr geht’s nicht anders zu. Einzig unser fußballfeldgroßer Stand- und Übernachtungsplatz im Naturschutzgebiet von Tietiesbaai erinnert ans skurrile namibische Torra Bay; aber nach einem schönen Sonnentag samt passendem Sundowner erwachen wir am nächsten Morgen in dickstem Nebel und damit, yepp!, stellt sich wieder das Nordsee-Feeling ein.

Herrje! Dafür hätte man doch nicht so lange und weit fliegen müssen!


Post Scriptum:

Und, wie, nichts zu Kapstadt und Kap-Halbinsel?

In Kapstadt selbst waren nicht. Hat sich irgendwie nicht ergeben. Als es zeitlich möglich, den Tafelberg zu erklimmen, hat es Bindfäden geregnet. Cape Point und Cape of Good Hope haben wir einen Besuch abgestattet, der angesichts des brachialen Touristenrummels nur den Vermerk bekommen hat: „Plätze, wo man gewesen sein und nie mehr hin muss.“

Da wir aber an einem anderen (gleichwohl ebenso verregneten Tag) am Cape Agulhas entlang fuhren, können wir wenigstens vermelden, dass wir damit so ziemlich an allen Enden der Welt ihrer jeweiligen Zeit gewesen sind – an der äußersten West- und Südküste Europas, an den Südspitzen Südamerikas (mit Cape Hoorn) und Südafrikas, am nördlichen Rand Islands…