In Reiseführern wird die Route 62, die durch die Halbwüste der kleinen Karoo bis nach Port Elizabeth führt, gerne mit der US-amerikanischen Route 66 verglichen… liest sich nett, die Ortschaften, durch die sie führt, sind es auch – ansonsten: ein Marketing-Trick. In „Ronnies Sex Shop“ waren wir für ein schnelles Savannah Light, das reicht.
Die Route 62 führt u.a. durch die Weingroßhandlung Robertson, wo wir im Café Rosa ein kleines spätes Frühstück nehmen und uns über die Sinnsprüche im Gastraum und auf der Toilette freuen; diese lassen vermuten, dass dieses Café für eben jenes „am Rande der Welt“ als Vorbild gedient haben könnte, das Autor John Strelecky beschrieben hat. Den im Reiseführer empfohlenen Abzweig nach McGregor fahren wir nach und erreichen eine sich in die Berge windende Schotterpiste, die mal eine Straße zum auf der anderen Gebirgsseite liegenden Greyton werden sollte – aber dieses nie erreicht hat.
Heute kann man dort oben ein paar vereinsamt stehende Chalets buchen und eine Übernachtungs-Wanderung zu „Die Galg“ unternehmen. Dafür fehlt uns die Zeit, zurück und weiter geht es gen Montagu. Wie so häufig, gibt es Zufälle (die ja keine sind), und so steuern wir einen Campingplatz an – der aber sein elektromechanisches Festungstor nicht öffnet. Ein anderer, weit schlichter aussehender quer gegenüber, lässt ein, nachdem ich am elektromechanischen Schiebe-Tor klingele. Ein Glück, den auf der DeBos-Campsite steht unverkennbar ein anderer Land Rover mit Camper-Aufbau – und der hat auch noch ein deutsches Kennzeichen.
Der Landy-Lenker heißt Günther, ist seit zig Jahren in Afrika unterwegs, hat den Kontinent vom Norden bis nach Kamerun durchquert – dort ging’s wegen gesperrter Grenze nicht weiter, weswegen er sein Fahrzeug ein Stück verschiffen musste. Aber Namibia und die schwarzafrikanischen Staaten der Umgebung kennt er alle und kann zu allen Stories & Infos mitteilen. Jetzt fährt er seinen Wagen nach Johannesburg, stellt ihn dort ab, um erst einmal vier Monate Urlaub in Vietnam zu machen.
Seine Firma hat er schon vor geraumer Zeit verkauft, und lebt seither nur noch. Genau dieses Projekt steht auf unserem Plan, und so tauschen wir Geschichten aus. Unter Günthers Tipps ist der, doch als nächsten Stopp die Amber Lagoon Lodge & Campsite inmitten der Straußen-Farmen zwischen Calitzdorp und Oudtshoorn anzusteuern. Dort verdienen sich die keineswegs jungen Menschen Kurt und Susanne seit rund 15 Jahren ihren Lebensunterhalt keineswegs stressfrei mit dem Betrieb von Campsite & kleiner Lodge.
Trubel/trouble mit Nachbarn gab es immer mal, zeitweilig handgreiflich und unter Verlust zweier vergifteter Hunde. Die Ecke der kleinen Karoo, in der sie leben, liegt nicht direkt an den großen Touristenströmen, und Kurt & Susanne sind so old school, dass modernes Online- & Social Media-Marketing eher nicht zu ihren Expertisen gehören. Dafür haben sie ihrem kargen Stück Land einen Swimming Pool und terrassierte Stellflächen in einer spannenden Mischung aus Simplizität, Improvisation und Liebe zum Detail samt lose eingestreuter Kunst-Projekte abgerungen – und einen fantastischen Sundowner-Platz on top.
Wir hängen einen zweiten Tag in der kargen und semi-ariden Karoo-Idylle dran und begehen diesen als „lazy day“ am Pool, als Kontrapunkt zu den vielen Tagen mit den vielen Fahrkilometern. Danach legen wir wieder ab und fahren aufs Schotterpisten durchs Hinterland zum berühmt-berüchtigten Swartbergpass – einem um 1880 gebauten Weg durch die Swartberge, der sich Windung um Windung in Richtung Prince Albert und der Großen Karoo schlängelt.
Beim zweiten Kaffee im hübschen Swartberghotel entscheiden wir, nicht den Campingplatz im ebenso hübschen Prince Albert anzusteuern, sondern noch gen Laingsburg durchzustarten. Ein Fehler (aber die macht man nun mal): Der „Karavaan Park“ dort liegt mitten in dieser Trucker-Siedlung, daneben eine ENGEN-Tankstelle, dahinter der Güterbahnhof, davor die N1 mit regem, nächtlich durchgängigem Lkw-Verkehr (und die schweren Lastzüge in Südafrika unterliegen nicht deutschen Dezibel-Normen). Seit den vielen Übernachtungen im Unimog auf Autobahn-Rastplätzen inmitten von dicken Lastzügen schlafe ich untern Truckern eigentlich gut – Lkws bedeuten Sicherheit, so die Erfahrung. Aber in Laingsburg geht es akustisch bloß nicht um das monotone Dröhnen der Diesel im Leerlauf oder das Brummen der Kühlaggregate.
Als Positivum kann gelten, dass uns der lichtdurchlässige Schlaf-Aufbau unseres Land Rover-Campers ohnehin dazu bringt, in etwa mit der Sonne ins Bett zu gehen (Sonnenuntergang derzeit gegen 20 Uhr) und mit ihr aufzustehen (Sonnenaufgang derzeit gegen 5.30 Uhr). So schlafen wir zwar schlecht und wenig, sind davon aber nicht weiter irritiert. Ab zur letzten Station: Matjiesfontein.
Gegen 8 Uhr treffen wir in Matjiesfontein, eine Art Freilicht-Museumsdorf, nach eintönigem Ritt durch die Große Karoo auf der N1 ein, und um diese Uhrzeit ist dort (noch?) niemand, weder Touristen noch Betreiber. Einzig das in Reiseführern hervorgehobene Lord Milner Hotel weist eine offene Tür und den Zugang zum viktorianischen Speisesaal auf. Kaffee & Frühstück in originalem wie originellem Ambiente sind gesichert und lassen die Katastrophen-Nacht in Laingsburg schnell vergessen.
Einen zweiten Kaffee nehmen wir in Paarl zu uns, und von da sind es nur noch wenige Kilometer im nunmehr wieder Verkehrstrubel nach Stellenbosch, wo wir auf dem weitläufigen „Mountain Breeze Park“ Quartier beziehen – inmitten stattlicher, Schatten spendender Bäume und nicht unweit der befahrenen Straße nach Somerset West, deren Verkehrslärm aber mehr einem fernen Gemurmel gleicht.