Und dann schaut man weithin ins… Nichts. Ein sandfarbener Strich rundherum. Einmal um die eigene Längsachse gedreht, immer die gleiche Ansicht. Blauer Himmel bis zum Horizont, ab Blickmitte nach unten etwas khaki-ockerhaftes bis vor die eigenen Füße…
Willkommen in Verneukpan. Das Afrikaans-Wort „verneuk“ bedeutet so etwas wie „schummeln“ oder „täuschen“ und spielt auf die Mirage-artigen Luftspiegelungen in der 50 Kilometer langen und elf Kilometer breiten Salzpfanne an: Ein trocken gefallener See in der – relativen – Nähe des heutigen Brandvlei.
Racetrack & Speedfreaks
Verneukpan ist brettflach und diente früher und noch viel früher Geschwindigkeitsenthusiasten als Rennstrecke; Sir Malcolm Campbell versuchte sich dort in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts am Weltrekord für Landfahrtzeuge mit seinem Blue Bird. Aber auch andere tobten sich – und hauchten manchmal ihr Leben – dort aus. Ein kleines Monument zeugt davon.
Um dorthin zu gelangen, muss man auf die R 27-Asphaltstraße von Kenhardt nach Calvinia, zweigt nach Osten auf eine der Dirt Roads ab und hat dann – je nachdem – zwischen 50 und 100 Kilometern Schotterpiste seinen Spaß, passiert (ob von Westen oder von Osten kommend) die trostlosen Ort Swartkop, bis man das an die Verneukpan grenzende Farmgebäude erreicht.
Die Pfanne ist in Privatbesitz und die Kommunikation mit den Eignern via Whatsapp kann kompliziert verlaufen (am besten über nichts wundern) – aber deren Einverständnis muss man sich holen; eine Übernachtung kostet dann umgerechnet fünf Euro. Für diese Summe kriegt man die Zufahrtserlaubnis und sonst so ziemlich nichts.
Denn nach einigen weiteren Kilometern von Farm bis zum offiziellen Camp stellt man fest, dass dieses weitgehend vernachlässigt, verlassen, verloren ist. Käme man auf einen Planeten, der von seinen Bewohnern aufgegeben wurde, müsste der wie das Camp an der Pfanne anmuten. Wind & Sonne haben alles zerfleddert oder zerbröselt; die ehemalige – offene – Bar verfügt über einen anheimelnd morbiden Charme. Den noch existenten Kühlschrank möchte man nicht anfassen. Das was drin liegt, auch nicht. Strom hat er eh nicht.
Defender Rendezvous
Dafür läuft das Wasser auf den Toiletten, irgendein altersschwaches Solarpanel liefert immerhin noch genügend Saft für die Pumpe. Wir scheuchen unvermutet eine große Eule auf und stochern in den Ecken nach Schlangen. Es weht ein derber Wind, so dass wir den Landy unter einen von den Carports stellen, das Zeltdach als Keil frontal in den Wind gerichtet.
Ein weiterer Platz ist frei; daneben stehen zwei Wohnwagen in kläglichem Zustand – um hinein zu kriechen, muss man schon sehr verzweifelt sein. Wir sehen uns um und glauben, eine Fata Morgana in Form eines sich nähernden Land Rover Defenders wahrzunehmen. Doch dieser 110er – etwas jüngeres Baujahr als unserer typgleicher – kommt näher, bremst vor unseren Füßen, und heraus springt Cedric, der sich als in Knysna lebender Schweizer vorstellt.
Nachdem wir unsere Überraschung überwunden haben, dass sich innerhalb einer Viertelstunde zwei Fahrzeuge gleichen Typs an diesem gottverlassenen Ort treffen, sitzen wir zusammen und parlieren uns in die Nacht. Cedric hat berufsbedingt an vielen, auch gefährlichen Orten der Welt gelebt, so dass wir mit unseren Geschichten (die auch einiges an Fährnissen aufweisen) kaum mithalten können.
Freilich: Während wir Reduktion und Minimalismus frönen, reist Cedric mit Stil: „I like to travel in comfort“, grinst er – und seine Ausrüstung ist vom Feinsten, inklusive einer beeindruckenden Hand-Espressomaschine. So hat er ein Alucab-Dachzelt auf seinem Defender, aber obendrein ein kleines Mannschaftszelt im Gepäck – sein Fahrzeug ist bis zur Oberkante vollgepackt – mit dem er die nächsten Tage mitten auf der Pan übernachten will. Heute ist es zu windig dafür.
Stelldichein von Vögeln, Mangusten und Pavianen
So fahren wir im Duo am nächsten Tag mitten auf die Salzpfanne; nach wenigen Stunden aber darf Cedric die unfassbare Leere alleine genießen, denn wir müssen weiter in Richtung Kapstadt.
Was ein Kontrast zu den Tagen zuvor: Die hatten wir in Augrabies Falls verbracht, Wasserfällen in der Nähe zu Namibia in einem südafrikanischen Nationalpark. Die freilich erwiesen sich zwar als durchaus spektakulär, aber gegenüber den Wassermengen als schwachbrüstig, die die 50 Meter zu anderer Zeit herabstürzen.
Dafür durften wir auf der gepflegten Campsite inmitten anderer älterer Herr- & Frauschaften dem Treiben einer Manguste auf dem Rasen und den unentwegten Sturzflug-Attacken eines Vogelpärchens auf das Raubtierchen beiwohnen, sowie der morgendlichen Belagerung und Erstürmung unserer Holz- & Essvorräte durch eine Bobbejaan-Bande. Die Paviane zeigten dabei nicht nur erstaunliche Kraft und Geschicklichkeit, sondern auch Beobachtungsgabe und Intelligenz – sie vermochten die Holz- von der Essenskiste zu unterscheiden (nun, ein Pavian namens Jack hat schon für die südafrikanische Eisenbahn gearbeitet).
Nun, auf diese Weise kamen uns Äpfel & Avocados, Kartoffeln & Zwiebeln abhanden. Freilich erwiesen sich unsere näheren Verwandten als pflegeleicht, ließen sie sich doch angesichts beeindruckender Körper- und Gebissgröße durch Händeklatschen oder Wedeln mit einem Stock vertreiben. In anderen Touristen-Hochburgen haben demgegenüber die Tiere schnell gelernt, Zelte, Autotüren u.a. zu öffnen – auch soll es vorkommen, dass Paviane Steine durch Autofenster schmeißen, um hinein zu gelangen.
Wir genossen Savannah Light und Windhoek Lager. Aber auch ohne Alkohol kommt man in Südafrika unter Campern schnell ins Gespräch, so auch in Augrabies, wo wir von einer netten Dame noch einiges über die Baboons lernten, bevor sie sich mit ihrem Mann und dem Camping-Trailer in die Kalahari davon machte.
Wir blieben und absolvierten eine mehr als sechs Kilometer und zweieinhalb Stunden lange Wanderung über unwegsame Pfade, steile Fels-Abschnitte und inmitten von Myriaden von Mücken, die einen in Wolken hartnäckig umtanzten – jetzt verstanden wir, warum die Park Ranger Moskitonetze über ihre Hüte gestülpt hatten!