Unser Unimog mit seinem 130 PS-Saugdiesel galt in unserer kleinen Gruppe aus vier Gelände-Lkw’s als der langsamste. Alle anderen hatten mehr PS und Turbomotoren. Besonders im Gebirge bei Steigungen ging unserem Fahrzeug mit seinem 7,5 Tonnen Gesamtgewicht die Puste aus.
Daher fuhren wir immer an zweiter Stelle, direkt nach dem Führungsfahrzeug mit den beiden Guides und dem Dolmetscher an Bord. Am Ende des kleinen Konvois immer der kleinste und schnellste Wagen, der Iveco Daily in Offroad-Ausführung und entsprechender Ausstattung. Die beiden Insassen haben sich häufig gelangweilt, konnten aber ein paar zusätzliche Foto-Stopps einlegen, weil sie uns leicht wieder eingeholt haben.
Im Mittleren Atlas habe ich aber dennoch versucht, den Unimog so flott wie möglich voranzutreiben, bei Steigungen wie bei Abfahrten. Wobei das Fahren im marokkanischen Gebirge, egal welcher Teil, immer nur aus hoch- und wieder runterfahren in endlosen Serpentinen vonstatten geht.
Erneut Problembär: die Bremsen
Irgendwann bei einer Abfahrt habe ich dann beim Bremsen ins Leere getreten, Bremsversagen! Ziemlich brenzlige Situation, ich musste zwei- bis dreimal schnell Nachtreten, dann kam der Unimog doch noch vor bzw. in einer Kehrtwende zum Stehen.
Aus den beiden Behältern kochte die Bremsflüssigkeit heraus, Luftblasen gurgelten – alles klar. Da ja Fachleute unter uns weilten, wurde alsbald diagnostiziert, dass die Bremsflüssigkeit uralt sein müsse; wir kippten etwas nach, um die nächstgelegene Lkw-Werkstatt aufsuchen zu können.
Aber natürlich war der vorhandenen Bremsflüssigkeit nicht zu trauen. Und „nächstgelegen“ bedeutete 70 Kilometer entfernt… Erst einmal mussten wir vom Berg runter, und so fuhren wir teilweise im zweiten und dritten Gang (das sind Gelände- und Kriechgänge beim Unimog!) überwiegend per Motorbremse verzögernd mit 10-30 km/h hinab.
Vor uns fuhr einer der Gelände-Lkws mit dicken Reservereifen auf dem Heck, den wir notfalls als Brems-Puffer nutzen wollten…Schul-Unterricht und Seminar-Schulung
Es wurde dunkel, und so übernachteten wir im Tal nahe einer Schule und hatten so unverhofft die Gelegenheit, den morgendlichen Unterricht der Sechsjährigen der Umgebung miterleben zu dürfen. Die Kinder müssen dazu teilweise aus weitab liegenden Dörfern und Häusern zu Fuß kommen, d.h. durch die Berge wandern – und natürlich früh dazu aufstehen…
Am nächsten Tag stand nahe Azilai-Tilougguite als Seminar-Thema – immerhin befanden wir uns ja eigentlich auf einer Trainings-Fahrt – eine Flussdurchfahrt auf dem Programm. Wir lernten, wie man einen Fluss, dessen Geschwindigkeit, dessen Biegungen, dessen Geräusche zu analysieren, um die besten Stelle für eine möglichst ungefährliche Durchfahrt zu finden.
Ebenso lernten wir, wie man Brücken und deren Zustand einschätzt. Für den Unimog war dann die Durchfahrt ein Kinderspiel – kein Wunder bei 1,20 Meter Wat-Tiefe…
Der Schrottplanet
Die Bremsflüssigkeit unseres Fahrzeug war damit aber immer noch nicht gewechselt. Wir fuhren also noch zig Kilometer bangen Herzens bei jedem Bremsen weiter, bis wir die Stadt Beni Mellal erreichten. Jede Auffahrt mit der Gewissheit verbunden, dass man diese Strecke auch wieder herabfahren muss…
In Beni Mellal fanden wir eine Lkw-Werkstatt, eine völlig obskure Ansammlung von kaputten Fahrzeugen, Ersatzteilen, Öl, Dreck und schmutzigen Menschen – eine Kulisse wie für einen bizarren Science-Fiction-Film namens „Der Schrottplanet“. Der Werkstattmeister weigerte sich erst, die Bremsflüssigkeit zu tauschen – diese sei doch völlig in Ordnung, meinte er wiederholt. In Marokko würde man jedenfalls damit fahren…
Wir insistierten, und irgendein Gehilfe saugte dann mit seinem Mund die Bremsflüssigkeit an den vier Bremsen an und ließ die schwarzbraune Brühe dann in ein Eimerchen rinnen. Mittlerweile hatten wir neue gekauft und so wurde diese eingefüllt, ich durfte dazu viel auf die Bremse treten, um nachzupumpen… angewiesen von den Gehilfen in simpelster Zeichensprache oder einem unmissverständlichen Grunzen.
Bis zum Ende der Reise aber sollte ich den Bremsen des Unimogs nicht mehr trauen.