Was ist denn ein Fährtenwanderkampfstabspeer? Nun, ein Wanderstab, der auch dazu dienen kann, sich zu verteidigen – sei es gegen Menschen, sei es gegen Tiere – und der bei der Fährtensuche behilflich ist. Und obendrein eine Speerspitze, genauer: Pfeilspitze, trägt.
Um all diese Funktionen möglich zu machen, bedarf es natürlich der Kompromisse. Der Fährtenwanderkampfstabspeer kann all das nicht perfekt – dazu bräuchte man den jeweiligen Spezialisten-Stab. Aber er soll all das in einem brauchbaren Umfange gewährleisten.
Wanderstab als japanischer Kampfstock
Grundlage ist der Wanderstab: Wozu der nützlich ist, erspare ich mir an dieser Stelle zu erläutern. Ob rustikaler Knotenstock, Opas Spazierstock, typischer Pyrenäen-Wanderstock, moderne Teleskopstöcke – bei Bergwanderern wie Trailrunnern ist die Geh- und Stützhilfe seit alters her so bekannt wie beliebt.
Da ich mich einige Jahre der altjapanischen Kampfkunst Kobudo gewidmet habe, weiß ich noch: Im Japan der Samurai-Zeit sahen sich Wander-Mönche häufig den Nachstellungen von Räubern und Mördern ausgesetzt, massenweise machten Ronin – herrenlose Samurai, denen nicht viel anderes übrig blieb, als zu Wegelagerern zu werden – die einsamen Wege in den Bergen unsicher.
Holzstock (zer-)schlägt Metallschwert
Der buddhistische Glaube zeichnet sich u.a. durch das Ideal der Gewaltlosigkeit aus; gleichwohl beinhaltet er durchaus den Gedanken der Selbstverteidigung, wenn kein anderes Mittel bleibt. Sich selbst mit einem aggressiven Gegenstand des Kampfes auszustatten, etwa einem Schwert, kam den Mönchen nicht in den Sinn. Aber den ohnehin vorhandenen Wanderstab zu rein defensiven Zwecken einzusetzen, schon.
So entstanden die japanischen Stockkampfkünste mit dem halblangen (Hanbo) und langen Stock (Bo), und Sonderformen davon – wie dem Jo. Mit diesen konnte man sich gegen einen Schwert oder Lanze tragenden Angreifer ganz gut zur Wehr setzen… immer in dem Sinne, Angriffe abzuwehren oder dem Aggressor die Mittel zu nehmen – etwa das Schwert zu zerschlagen (einem heftigen Hieb mit einem Hartholz hat die Breitseite einer Schwertklinge wenig entgegenzusetzen; der berühmte Samurai Musashi Miyamoto zog daher bei seinen Duellen häufig ein gutes Hartholzschwert einem Metallschwert vor) bzw. Arme oder Beine zu beschädigen.
Um als Kampfstab zu dienen, muss also der Wanderstock aus einem guten Hartholz sein, das gleichwohl nicht zu spröde ist, also über eine gewisse Elastizität verfügt und Belastungen ausfedern kann. Gerne also Eiche, Esche, Kirsche, Haselnuss… Diese Hölzer sind in borealen Wäldern meist leicht zu finden; das kommt der spontanen Anfertigung in einer potenziellen Kampf- oder Überlebenssituation entgegen.
Also Wander- und Kampfstock in Übereinstimmung zu bringen, ist keine Raketenwissenschaft. Und zur Fährtensuche braucht es nur Kerben in 10-cm-Abständen, um Trittsiegel, Spurgruppen und –breiten ausmessen und damit besser beurteilen zu können. Die Kerben kann man leicht mit Hilfe von Messer und Zollstock in den Stock schnitzen; da der Stab in etwa so hoch wie die eigene Achselhöhle (aber nicht allzuweit über die eigene Schulterhöhe) gehen sollte, sollte es kein Problem sein, ein 150cm-Maß darauf unterzubringen.
Hilfreich beim Fährtenlesen
Mit der Markierung kann man Anschluss-Trittsiegel finden, wenn sich eine Fährte im Nichts aufzulösen scheint bzw. wenn kein deutlicher Hinweis vorhanden ist, wohin sich das Tier gewendet haben mag. Ob man das macht, weil man einen Bewohner der Wildnis als Naturfreund verfolgt oder jagend in einer Überlebenssituation, lasse ich dahingestellt. Der versierte Wildnisläufer hat ohnehin noch einen kleinen Zollstock zur Präzisionsmessung im Gepäck.
Beim Wandern wie dem Spurenlesen kann es dazu kommen, dass man sich auf Trampelpfade und Wildwechsel begibt – hier hilft der Stab dabei, Sträucher beiseite zu schieben, vor allem, wenn es sich um Rankgewächse und Dornengestrüpp handelt. Auch kann sich der ältere Mensch hochstemmen, wenn er beim näheren Betrachten einer Fährte längere Zeit gekniet hat…
Stab zum Stochern, Stemmen, Stützen
Mit dem Fährtenwanderstab kann man außerdem die Tiefe einer Pfütze oder eines Baches messen, sich darauf stützen bei Durchquerung eines Baches oder flachen Flusses und man kann sich darauf stemmen, wenn man sich über eine Fährte beugt. Beispielsweise nah am Rand eines Baches oder bei einem steil abfallenden Hang. Oder in Losung oder in einen Bau stochern, ein vermeintlich totes Tier aus sicherer Distanz berühren (lebt es vielleicht doch noch?) bzw. wenden oder umdrehen…
Die Speer-Funktion ist ein nice-to-have, kein must. Üblicherweise ist beim Wanderstab ein Ende abgerundet, so dass man sich Draufstützen kann. Beim Fährtenwanderkampfstabspeer aber wird dieses zugespitzt, das Holz in Feuerglut gehärtet und gegebenenfalls eine Pfeilspitze (im Bogensportgeschäft erhältlich) draufgesetzt. Damit potenziert man seine Möglichkeit, sich gegen aggressive Tiere zu wehren.
Stabilität und Elastizität
Für den Jagdwurf darf der Speer nicht zu schwer sein, fürs Stemmen und Stützen nicht zu leicht. Die Arbeit liegt also darin, einen Stecken zu finden, der nicht zu dick, nicht zu dünn ist; der elastisch ist, aber nicht zu biegsam. Den man leicht tragen und werfen kann, aber der dennoch stabil genug für Parier- und Blockadetechniken beim Kampf ist.
Er kann also keinesfalls so leicht, dünn und kurz wie die Speere der Bushmen in der Kalahari sein – denen dient er nach erfolgreicher Ausdauerjagd, d.h., nachdem die Jagdbeute aus Erschöpfung kollabiert ist – nur zum Fangstoß in der gefährlichen Nahdistanz (im Todeskampf vermag etwa ein Kudu mit seinem Geweih noch schwere Verletzungen hervorzurufen).
Abwehr aggressiver Tiere
Kühe auf Straßen und Wegen, wie etwa in den Pyrenäen, kann man mit nahezu jeder Art Stecken nach Art von Bauer & Bäuerin auf die Seite treiben. Aggressive Tiere auf Wanderungen freilich wird man eher in streunenden, verwilderten Hunden sehen (die meisten Dorfköter Süd- und Südosteuropas geben schon Fersengeld, wenn man sich nach einem Stein nur bückt, geschweige denn wirft). Auch können tollwütige Tiere ein Problem darstellen – Distanz herzustellen, ist da das beste Mittel.
Die Speerspitze ist dabei keineswegs dazu gedacht, ein Tier zu töten, sondern nur den Schmerzreiz zu erhöhen – letztlich soll im Bewusstsein des Tieres der Eindruck entstehen, dass da jemand zurückbeisst… ich würde es freilich immer bevorzugen, zuerst mit Stößen oder Schlägen mit dem stumpfen Ende ein Tier zum Zurückweichen zu bewegen.
Je nach eigenem Gutdünken kann man die Schwerpunkte anders setzen – auf die Speerfunktion verzichten, dafür mehr Stabilität als Wanderstab etwa. Für mich aber zählt die Allround-Funktion – der Fährtenwanderkampfstabspeer soll ebenso gut darin sein, unter einem Stein nach Skorpionen oder Schlangen, in einem Eingang eines Dachsbaues zu stochern, wie einen satten Wurf mit genug Aufprallwucht zu ermöglichen, als Parierstange stabil genug sein…
Materiell ist klar, wozu der Mehrzweckstab dient; aber es gibt auch eine mentale Seite: Symbolisch ist der Fährtenwanderkampfstabspeer ein Ausdruck von Selbstvertrauen & Selbstsicherheit, Wildniskraft & Wehrhaftigkeit. Emotional vermag er an unsere archaischen Instinkte ankoppeln – das Gefühl und die Naturverbindung des Steinzeit-Jägers und –Sammlers: umtriebig und achtsam auf der Jagd wie auf der Hut. Im Sinne des Coyote Mentoring bedeutet der Stab, ein Stück Wildnis zu leben.