Der familienfreundliche Teil vom insgesamt etwa 600 Kilometer langen Namaqua 4×4 Eco Trail soll’s sein. Es gibt auch einen anspruchsvollen, aber den haben wir quasi hinter uns. Nicht direkt, denn die Kokerboomkloof-Campsite verlassen wir nach einer Fahrt quer durch den Richtersveld Nationalpark über den Helskloof („Höllenschlucht“) Pass, der bei dessen Abstieg einige herzklopfende Passagen in sich hat. Auch muss die Beifahrerin mal raus und als die souveräne Einweiserin, als die man sie kennt, dienen.
Ein paar mal stottert sich der Landy im niedrigen Gang in der Gelände-Untersetzung das bröckelige Geröll des schmalen Schotterpfads hinunter, und auch wenn Fahrzeug & Besatzung diese Herausforderung letztlich routiniert bewältigen, so sind wir doch froh, als wir durch das Helskloof Gate aus dem eigentlichen Park raus sind.
Strom-Minimalismus bei Offroad-Reisen
Eine Übernachtung auf der öden Campsite von Sendelingsdrif schließt sich an, die wir einlegen, um Versorger-Batterie, Akkus und Powerbanks am 220V-Landstrom vollzuladen. Nach einer Woche im Feld wird es Zeit dafür. „Nr. 5“ verfügt nur über die (Licht-)Maschine, um Strom zu erzeugen; kein Solarmodul ziert sein Aufstelldach und ein mobiles Solarpanel samt -Akku haben wir noch nicht erworben.
Wir sind auch nicht sicher, ob wir dererlei wirklich erwerben wollen. Letztlich ist die Stellschraube nicht das Ranschaffen von Elektrizität, sondern die Ansprüche. Wir sind mittlerweile gut darin geworden, unseren Stromverbrauch für digitale Kleingeräte inklusive der Kameras so zu minimieren, dass wir mit zwei leistungsstarken Powerbanks unterwegs gut auskommen.
Mit meinem Smartphone kriege ich Organisation & Koordination, Kommunikation & Korrespondenz, Navigation & Orientierung vollständig hin und habe den Tablet-PC nur für den Fall dabei, doch mal einen größeren Bildschirm zu brauchen. Aber ich habe das Tablet bei dieser wie der vorherigen Reise nicht einmal ausgepackt. Fotos & Videos anderer Offroad-Reisender freilich zeugen davon, dass sie mit einem Equipment durch ferne Gegenden fahren als während sie im heimischen Umfeld. Das ist nicht unsere Idee vom Reisen.
Aber wir sind auch keine Fuß- oder Rad- oder Kanuwanderer (deren über unseren deutlich hinausgehenden Minimalismus wir durchaus bewundern). Nach all den Erfahrungen der vergangenen Jahre fühlen wir uns in einem kleinen bis mittelgroßen Fahrzeug wie einem Land Rover Defender, einem Pick-up mit Kabine (etwa Ford Ranger) oder einem VW Bus am wohlsten – Dach über dem Kopf & (Wetter-)Schutz gepaart mit Flexibilität & Mobilität. Alles andere ist zu viel oder zu wenig. Man muss sein richtiges Maß finden.
Namaqua 4×4 Trail anders herum
In namibischen und südafrikanischen Landen muss man ohnehin früher oder später auf eine Campsite, und dann kann man diesen Aufenthalt auch zum Nachpowern nutzen. Falls es einen 220V-Anschluss überhaupt gibt; viele Bushcamps haben nichts dergleichen.
Nach der Nacht in Sendelingsdrif geht es wieder 80 Kilometer ausgeschlagene Wellblechpiste zurück nach Alexander Bay. Der eingangs erwähnte anspruchsvolle Teil des Namaqua 4×4 Eco Trails geht quer durchs Richtersveld außerhalb des Nationalparks und weist wohl noch einige Schwierigkeiten auf. Aber da wir uns lange genug im Richtersveld herumgetrieben haben, entscheiden wir uns für den langen, gleichwohl schnelleren Umweg über Alexander Bay und Port Nolloth wieder nach Steinkopf; ab dort nordwärts gen Grenzort Vioolsdrift – kurz vorher rechts ab, nach Osten auf den Pisteneingang des Namaqua Trails.
Also auf den „familienfreundlichen“ reverse Einstieg des Trails in entgegengesetzter Richtung. Der schlängelt sich mehr als 300 Kilometer durch die Gebirgszüge rund um den Orange River zu beiden Seiten der Grenze, in engen Tälern entlang und kleine Pässe hinauf und hinab – und der eine oder erweist sich (jenseits der nahezu unfahrbaren „Road to hell“) als beinahe schwieriger als der Helskloof Pass tags zuvor. Auch da halten wir ein paar mal die Luft an, rutscht der Landy auf lockerem Geröll an scharfen Felskanten vorbei – irgendwie hat uns der Ehrgeiz gepackt, eine weitere Südafrika-Tour ohne Crash oder Reifenschaden zu überstehen; und dieses Ziel fühlt sich gerade schwer gefährdet an…
Da wir obendrein die lange Anfahrt von Sendelingsdrif in den Knochen haben, geben wir es auf, ein Bushcamp namens Kamchab am Flussufer zu erreichen – zumal die Abfahrten zum Oranje direkt häufig krickelig sind. Wir übernachten also mitten in einem Tälchen und vergewissern uns, dass wir nicht im Bereich einer möglichen Springflut eines Zuflusses campieren… ein gern gemachter Fehler, der zu beeindruckenden Videos in Youtube führt, in denen verzweifelte Menschen sich irgendwo festklammern, während sie ihren in den Fluten wegtreibenden Zelten, Anhängern und Autos hinterher sehen. Das Ahrtal lässt grüßen.
Tags darauf schlängelt sich der Trail einsam und abgelegen weiter durch die Berge, mündet mitunter auf eine Farm Road – was eine etwas breitere Schotterpiste meint, die normalerweise kein Tourist fährt, in dieser Gegend aber schon Autobahn-Charakter hat. Man fährt nicht zehn bis zwanzig km/h, sondern um die 60 Stundenkilometer und winkt Ziegenhirten am Wegesrande zu.
So kommen wir recht flott voran und erreichen in Klein-Pella die Karsten Farm – die ist nicht die nette kleine Farm eines Karsten, sondern ein riesiges Gelände mit riesigen Palmenhainen. Eine Dattelplantage gewaltigen, durchorganisierten Ausmaßes; die aber auch über ein Gästehaus, eine Campsite und ein Bushcamp verfügt. Wir stellen „Nr. 5“ auf die Campsite und kriegen regen Kontakt mit unseren unmittelbaren Nachbarn, einem älteren Ehepaar mit viel Reise-Erfahrung, die uns einige Kenntnisse und Erkenntnisse über das südliche Afrika vermitteln.
So auch die, dass in allen Flüssen, die in Richtung Osten ins Meer fließen, Krokodile seien; in denen, die in Richtung Westen ins Meer Fließen, keine. Gut zu wissen, wenn man tags darauf das Bush Camp am Oranje unten anstrebt: Durch einen sandigen, buckligen Pfad geht es zwischen dem Uferbewuchs acht Kilometer lang runter – das Bush Camp liegt traumhaft schön, verfügt über Baboon-gesicherten Klo-Verschlag und eine hölzerne, primitiv-robuste überdachte Veranda (Lapa), die ein Stück übers Ufer hinaus ragt.
Im Wasser des Flusses gibt es kleine und größere Felsen und Sandbänke, durch die sich kleine Pools bilden, in den man plantschen kann – wenn man sich festzuhalten weiß, denn die Strömung ist deutlich. Natürlich verfügt die Lapa über einen Braai-Grill und das Tausend-Sterne-Dach ganz oben drüber. Nach Kokerboomkloof der bis dahin schönste Ort – wir hätten mehr als eine Übernachtung buchen sollen.
Aber wir wollen noch nach Augrabies Falls, bevor der rund 1000 Kilometer lange Rückweg gen Kapstadt ansteht. Und es ist immer gut, nicht auf den letzten Drücker zu planen, sondern einen Zeitpuffer für Pannen und anderes Unvorhergesehenes zu lassen. In einer Woche startet der Rück-Flieger. Also richten wir den Rammschutz von „Nr. 5“ tags darauf gen Pella aus.
Pella – offizieller Beginn des Namaqua Trails im Osten – entpuppt sich als ein staubiger Ort, den wir nach Durchqueren der Karsten Farm und einigen Kilometern Schotterpiste wie Asphaltstraße flugs erreichen: Zum ersten Mal auf dieser Tour haben wir sehr schnell einen jungen, dann einen alten Bettler am Landy-Fenster, die unverständliches Zeug auf Afrikaans murmeln, aber unmissverständlich die Hand aufhalten. Im Hof der in Reiseführern beschriebenen Kathetrale im neugotischen Stil dient sich schnell ein „Guide“ an.
Nur wenige Minuten später wird eine (farbige) Lady mit einem nagelneuen, gewiss nicht ganz kostengünstigen Toyota Fortuner heranrauschen und vor einer Shebeen halten. Harsche Gegensätze findet man in Südafrika nicht nur in den großen urbanen Konglomeraten.