Drake Passage: Auf dem Weg in die Antarktis

Sonnenwetter in der Drake-Passage

Sonnenwetter in der Drake-Passage

Es geht an den entferntesten Ort der Erde. In die Antarktis. Natürlich: Die Arktis könnte – je nach Standpunkt – genauso fern sein, doch bedeckt sie am Nordpol die nördlichen Teile der drei Kontinente Nordamerika, Asien und Europa sowie das größtenteils von Eis bedeckte Nordpolarmeer.

Die Nordpol-Eiskappe schwimmt also auf Wasser und überlappt auf Kanada und Russland. Man kann auf dem Landwege recht weit in die Arktis unterwegs sein. Wer mal im nördlichen Norwegen war, weiß, dass es bis Svalbard bzw. Spitzbergen nicht mehr weit ist.

Nicht so im Falle der Antarktis. Blickt man von unten auf den Globus, so liegt da ein Eispanzer auf einem festen Kontinent namens Antarktika. Diese Eisplatte hat keine Verbindung zu den nächstgelegenen Landflächen Südamerikas, Südafrikas, Tasmaniens und Neuseelands. Am nähesten kommt man der Antarktis von der Südspitze Südamerikas aus.

Genauer: der Antarktischen Halbinsel. Die hat den Form eines Fingers, der sich Feuerland entgegenstreckt. Eine Art Ausläufer der Antarktis, der knapp oberhalb des Südpolarkreises bei 66º 33´ liegt (dem man bei Petermann Island ganz ganz nahe kommt). Diese zerklüftete Halbinsel kann man mit einem Schiff entlangkreuzen.

Durch die Drake-Passage

Die „MS Expedition“ hat in Ushuaia Kurs auf die Antarktische Halbinsel genommen und arbeitet sich zwei Tage lang durch die Drake-Passage – so heißt die Meeresstraße zwischen der Südspitze Südamerikas (mit dem berühmt-berüchtigten Kap Hoorn) und der Nordspitze der antarktischen Halbinsel. Der Atlantische Ozean verbindet sich hier mit dem Pazifischen Ozean.

Winde und Wellen treffen hier ungestüm aufeinander. Laut Wikipedia:

Am Kap Hoorn war vor allem die Passage vom Atlantik zum Pazifik gegen die Westwinddrift gefährlich und schwierig. Es forderte von den in diese Richtung segelnden Schiffen ein ständiges Kreuzen bei hoher See und Regen, Kälte, schlechter Sicht und Eisbergen. Das falsche Kap Hoorn sorgte durch die Verwechslungsgefahr für zusätzliche Schwierigkeiten der Navigation.

Schätzungen zufolge wurde die See vor Kap Hoorn mehr als 800 Schiffen und mehr als 10.000 Menschen zum Verhängnis und zum größten Schiffsfriedhof der Welt. Zum Gedenken an diese Seeleute wurde am 5. Dezember 1992 ein Denkmal (…) auf dem Kap eingeweiht, das einen stilisierten Albatros darstellt. Ein Gedicht der chilenischen Dichterin Sara Vial für die Ertrunkenen findet man auf einer Tafel in der Nähe:

Albatross-Gedicht

Albatross-Gedicht

Mit einem motorisierten Schiff durchquert man die etwa 500 Seemeilen breite Drake-Passage in zwei Tagen. Als ozeanografische Grenze mitten im Wasser gilt die so genannte antarktische Konvergenz bei etwa 50° südlicher Breite, wo das kalte antarktische unter das wärmere subtropische Oberflächenwasser absinkt. Fahrten in diese Region der Welt werden im antarktischen Sommer organisiert, die Saison schließt im März.

Die Crew der „MS Expedition“ wird später diesen Hinweg als die ruhigste Drake-Passage aller Zeiten würdigen. Tatsächlich kann man auf Deck in der Sonne dösen, als wäre die ehemalige Fähre auf dem Mittelmeer zwischen Genua und Tanger unterwegs. Zwei Tage umgibt einen eine graue See, in allen vier Himmelsrichtungen nur Wasser zu sehen.

Eiswüste voraus: Vorfreude, Aufregung und Adrenalin

Die Besatzung arbeitet routiniert, die Passagiere – überwiegend aus den USA, Großbritannien und Australien – sind excited. Unter ihnen ein Ärzteverband aus „Down under“, der seine Jahreskonferenz auf die „MS Expedition“ verlegt hat und so in den Genuß steuerlicher Vorteile beim Absetzen der nicht eben billigen Tour kommt. Gut betuchte Rentiers und Pensionäre mit grauen Haaren bestimmen das Bild – die „MS Expedition“ ist sich dieser Klientel bewusst und weiß mit zweckmäßigem Komfort und erstklassiger Küche zu glänzen.

Sicher ist, dass der Veranstalter es sich bei dieser Kundschaft nicht leisten kann, das etwas schiefgeht. Von entsprechenden millionenschweren Klagen würde er sich kaum mehr erholen. Also können wir darauf vertrauen, dass die Crew weiß, was sie tut. Dennoch vibriert Adrenalin durchs Blut: Wir bewegen uns auf einen der extremsten Orte der Welt zu, einen der lebensfeindlichsten; eine Eiswüste, in der nur wenige gut angepasste Tiere (über-)leben. Einen Ort, an dem es Pleiten, Pech und Pannen nicht geben darf.

Dies umso mehr, als dass wir in der Antarktis kayaken werden – und das mit minimaler Bootserfahrung und einem kurzen Training des „Wet Exits“ im Schwimmbecken des Landessportbundes in Frankfurt. Ein früherer Krav Maga-Schüler und Kanu-Experte hat sich unserer erbarmt und uns die wichtigsten Elemente des Kayakens im Schnellverfahren beigebracht; ansonsten gilt: Wer Krav Maga-geschult über mentale und physische Kondition verfügt, kann auch im Eis kayaken…

Und so sind die beiden Tage in der Drake-Passage auch zahllosen Briefings, Sicherheitsübungen, Desinfektions-Regularien, der Ausgabe der schweren roten Überlebens-Parkas und dick gefütterten Gummi-Stiefel sowie der ersten Meetings des Dutzends Kayak-Mutiger gewidmet. Die kommen mehrmals im „Mud Room“ zusammen, lernen sich, die Guides Beth und Steven und ihre robusten See-Kayaks kennen.

Ausflugsfahrt mit wissenschaftlichen Ansprüchen

Die Expeditions-Crew kommt meist in Doppelfunktion daher: Kayak-Guide Beth ist studierte Meeresbiologin, wer ein Zodiac-Schlauchboot steuert, ist meist Ozeanograph, Ornithologe, Geologe, Historiker o.ä. Und so wird mehrmals am Tag zu wissenschaftlichen „lectures“ in die „Discovery Lounge“ gebeten – wir erfahren so zu allen Aspekten der Antarktis etwas.

Wasser, Wasser, Wasser. Aber je weiter wir nach Süden vorstoßen, desto mehr Vögel nähern sich dem Schiff. Es ist eine Ausflugsfahrt der anderen Art: Die Wissenschaftler an Bord haben das Ziel, alle Reisenden zu „Ambassadors of Antarctica“ zu machen – Botschafter für diese so empfindliche Region. Spaß darf trotzdem sein: In den Abendstunden des 5. März zeigen die Australier in der Schiffsbar, dass sie spontan zur E-Gitarre greifen und eine mitreißende Party in Schwung bringen können.