Durch die Kalahari gen Fish River Canyon

Köcherbaum in Fels-Landschaft
Köcherbaum in Fels-Landschaft

Der Fish River Canyon gilt als einer der touristischen Höhepunkte in Namibia, auch bei den Reise-Anzeigen in der „ADAC-Motorwelt“ wird er genannt. Da wir nicht unbedingt gerne dort sind, wo sich andere auf den Füßen rumtrampeln, haben wir ihn bei unserem Namibia-Besuch im Januar bewusst ausgelassen. Andererseits haben in Südafrika teil-ansässige Freunde sehr von der Fish River Lodge am oberen Canyon-Rand geschwärmt…

Manche Orte muss man einfach gesehen haben; im Falle der Fish River Lodge zumindest für eine Übernachtung, denn dort kann man nicht campen und die Unterkunft ist so traumhaft schön wie alptraumhaft teuer. Was nicht nur am Aspekt der Profitmaximierung liegt, sondern auch an ihrer Abgelegen- und schweren Zugänglichkeit: Alles muss aufwändig über lange Pisten und gewundene Kilometer in Pick-up Trucks transportiert werden. Das hat, ähemm, den Vorteil, dass es kein Ort für Massen- oder Billigtourismus ist.

Von Okambara aus lässt sich die Distanz nicht in einem Rutsch fahren, also legen wir einen Übernachtungsstopp in der Kalahari Anib Lodge ein. Auf der nebenstehenden Karte lässt sich erkennen, dass wir dabei auf einer Neben-Piste durch die Kalahari-Wüste fahren, die als solche gerne bezeichnet wird, aber im Wesentlichen keine ist – sondern eher Halbwüste oder Trockensavanne. In der Wikipedia heißt es dazu:

Die Kalahari (auch Kgalagadi) ist eine Dornstrauchsavanne, teilweise auch Trockensavanne, wird aber gelegentlich wegen des vorherrschenden Sandes als Wüste bezeichnet.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kalahari

Wenn man sich mit den geografischen Begriffen Voll- und Halbwüste, Dornstrauch- und Trockensavanne, Steppen etc. beschäftigt, wird man feststellen, dass auch unter Fachleuten die Begriffe uneinheitlich genutzt werden. Wann und wie und wo tatsächliche Wüsten beginnen, wann und wie und wo Savannen und Steppen – das versuche ich seit Wochen auch mit Hilfe von Fachbüchern herauszufinden…

Gibt man den Versuch auf, die Begriffe im Sinne exakter Definitionen zu verwenden, so kann man nach Abfahrt in Okambara geradewegs gen Süden hinab beobachten, wie die lose Streuung von robusten Baum- und Strauchgewächsen unter Beimischung von Gräsern (also Dornstrauchsavanne) im Zuge vieler Kilometer dazu übergeht, immer mehr abzunehmen… zwischendurch eine Phase mit kleinwüchsigen Sträuchern und Büschen (also Trockensavanne) … und noch weiter südlich dann etwas, was man als Steppe bezeichnen könnte: nur noch Grasbüschel.

Wo die M41 auf die C20 übergeht, verlässt unser Hilux die Sandpiste und rollt auf kommodem Asphalt weiter, wenig später ist die Kalahari Anib Lodge erreicht, über deren angeschlossene Campsite sich vor allem sagen lässt: langweilig.

Große Stellfläche fürs Fahrzeug mit Blick auf die Lodge-Unterkünfte, landestypischer Braai-Grill, Lampe und Stromanschluss, Mülleimer, alles robust & reduktionistisch. Auf europäischen Campingplätzen würde man sich über soviel Weitläufigkeit und Simplizität freuen, hierzulande bloßer Durchschnitt – kann man nur als Stopover ansteuern. Dass die Asphaltstraße nur wenige hundert Meter entfernt und an ihr eine Tankstelle mit nächtlich durchgängiger Musikbeschallung liegt, macht die Sache nicht besser.

Webervogelnest
Webervogelnest – mit Schlangen?

Ausnahmsweise also kein Gefühl des Bedauerns bei der morgendlichen Weiterfahrt am nächsten Tag, der relativ wenige Fahrtkilometer vorsieht, weil wir eine Nacht auf dem Mesosaurus Fossil Camp bleiben wollen – bekannt für seine Fossilien, wie man dem Namen entnehmen kann. Und für die große Zahl Köcherbäume. Ankunft am Nachmittag, und da das Mesosaurus Fossil Camp kein staatliches ist, keiner Tourismus-Kette angehört, sondern einer ganz normalen Farm zugehörig ist, parken wir vor einer Hütte mit Schild „Rezeption“ – nur sind da Feuerholz und Fossilien-Souvenirs sowie ein Gästebuch und sonst niemand.

Das erlebt man in Namibia häufig, also kein Grund zur Beunruhigung. Irgendwann wird man wahrgenommen, irgendwann kommt jemand. Tatsächlich dauert es aber gefühlt lange; das gegenüberliegende Farmhaus haben wir mittlerweile von außen inspiziert, und der ein oder andere Mit-Interessent ist auch eingetroffen.

Dann aber taucht Gil auf, ein Mann unbestimmten älteren Alters, in Jeanshosen und Flanellhemd, spricht ein gutes Deutsch mit deutlichem holländischen Akzent und ist ungemein frohgemut. Dem äußeren Anschein nach ist sein Leben nicht unbedingt das leichteste und komfortabelste; und aller Mutmaßung nach kommen er und seine Frau mit der Farm und dem Camp gerade so über die Runden, nachdem die Söhne sich für einen anderen Lebensweg entschieden haben.

Ganz im Gegensatz zur Kalahari Anib Lodge (die zum Edel-Veranstalter Gondwana Collection gehört) ist die Campsite von Gil etwas, was nicht weiter abmarkiert und eingegrenzt in fünf Kilometern Offroad-Pfad liegt und sich bestenfalls dadurch zu erkennen gibt, dass es irgendwo einen Ablution Block – also Waschgelegenheit und Klo – gibt. Dort stellt man sich am besten hin, wo es einem gefällt und wo das Auto gerade stehen kann; Orientierung bieten dabei die Reifenspuren der Vorgänger…

Da zwei oder drei Besucher-Fahrzeuge auf einem Gebiet von der Größe diverser Fußballstadien unterkommen müssen, gibt es kein hektisches Gerangel um den besten Platz. Eigentlich sind alle Standflächen gigantisch, was Umgebung und Aussicht anbelangt. Wir fahren ein Stückchen weiter hoch, weiter weg vom Ablution Block und können uns dann einmal um die eigene Längsachse drehen – niemand in Sicht. Dafür ringsum Felsen und Köcherbäume. Kochfeuer und  Sonnenuntergang und Tausend-Sterne-Hotel, dann ab ins Dachzelt und Gute Nacht.

Gil beim Spielen der tönernen Steine

Am nächsten Morgen treffen wir wieder den fröhlichen Gil, der uns auf Fossilien-Tour einige Kilometer in einen anderen Teil der Farm leitet und erklärt, was es zu sehen und anzufassen und, vor allem, zu hören gibt (siehe Video): Er spielt eine überaus bekannte Melodie auf Ton-Steinen (nicht tönernen, sondern tönenden!). Wir überlassen ihm die Eintritts-, Übernachtungs- und Tourgebühr gerne, wenn sie hilft, dass er an diesen einmaligen Ort (über-)leben kann…

Fish River Canyon
Fish River Canyon

Nunmehr nehmen wir Kurs auf den Fish River Canyon bzw. die Fish River Lodge am westlichen Rand des riesigen Canyons. Sie ist nicht ganz leicht zu erreichen; rund 20 Kilometer gehen durch eine kleinteilige Pisten-Pampa, die nur mit allradgetriebenen Fahrzeugen durchsteuert werden sollte. Und die letzten acht Kilometer ab einem Nebenabzweig sind dann ein bisschen krickelig – ok, wer um die  Offroad-Erfahrung der Piloten und um die Offroad-Qualitäten des Toyota Hilux weiß, muss sich nicht wirklich sorgen.

Aber der Tourismus-Sturm auf Namibia bringt es eben auch mit sich, dass manches Personal jenseits von Gut & Böse die Fish River Lodge zu erreichen versucht. Manche freilich nehmen dann gleich ein Klein-Flugzeug – eine Start- & Landepiste für die richtig Bequemen & Begüterten ist in der Nähe der Lodge vorhanden.

Die Lodge und die Lodge-Häuser direkt am Canyon-Rand aufgefächert: der reine Luxus, draußen wie drinnen. Bevor es dunkel wird, schaffen wir noch einen kleinen Spaziergang entlang des Randes. Ein fantastisches Abendessen im Lodge-Restaurant folgt (ich poste niemals Essens-Bilder!); die frühe Dunkelheit bringt es leider mit sich, von der Terrasse nicht mehr viel zu haben… Das holen wir morgens nach und genießen auch das Frühstück mit Blick auf den Canyon.

Wir lassen uns Zeit mit der Abfahrt, denn eine zweite Nacht in der Lodge können und wollen wir uns nicht leisten. Obwohl die Fish River Lodge und der Canyon es wert wären – aber derzeit ist der Abstieg und die Wanderung im Canyon ohnehin nicht erlaubt. Abgesehen davon: Zu meinem Geburtstag wollen wir in Walvis Bay sein – und bis dahin sind es noch einige Tage & Etappen. Also weiter geht’s!