Der Morgen des achten Tages hatte mit einer kleinen Lehrstunde begonnen: Reiseleiter und Expeditionsfachmann André von eineweltreisen.org erklärte uns, wie man einen Lkw auf Bergpisten – wie der im Bild zu sehenden – um enge Kurven lenkt, ohne dass das Hinterrad abrutscht und den Wagen in die Tiefe reißt.
Wir haben gleich die Probe aufs Exempel gemacht und sind in einem Wald auf einer ausgeschlagenen Asphaltplacken- und Schotterpiste, von Schlaglöchern und Abbruchkanten übersät, um zahlreiche Spitzkehren gekurvt… aktive Mithilfe des Beifahrers war gefragt, der den Abstand der Räder auf der rechten Seite zum “Straßen”-Rand hin dem Fahrer im Telegrammstil zubrüllte: “20 Zentimeter!”
(In Abwandlung eines Seemannspruches könnte man sagen: “Immer eine Handbreit Diesel im Tank!” Oder eben: “Immer eine Handbreit Abstand zum Rand!”)
Schraube im Reifen
Immerhin: Ein dummer Fehler kann den Verlust des Fahrzeugs zur Folge haben. Möglicherweise obendrein mit gravierenden Konsequenzen für die Insassen. Und in die verlassene Gegend des von Sandstein und rotem Staub (Eisenoxid!) gekennzeichnetem Mittleren Atlas’ kommt so schnell kein Rettungswagen…
Da trägt es wenig zur Beruhigung bei, wenn man bei einem Tankstopp, verbunden mit dem Auffüllen unserer Wasservorräte, eine dicke Schraube im linken Vorderreifen des eigenen Fahrzeug vorfindet. Reifenwechsel! Unbedingt, sofort vor Ort.
Wer möchte schon beim nächsten Überholmanover mit 80 Stundenkilometern mit einem siebeneinhalbtonnen schweren, hochbeinigen Fahrzeug auf zerschlissenen Asphaltstraßen einen Reifenplatzer haben? Oder nahe am Rand eines Abgrundes?
Unser Unimog hat hinten eine Art offene Schublade, in dem der Ersatzreifen liegt. Komisch eigentlich, dass wir zu Tourbeginn noch André gefragt hatten, ob wir nicht einen Reifenwechsel simulieren könnten… nun hatten wir tatsächlich das Problem, wie bestellt. Passend zum Fernreiseseminar, dass davon lebt, dass möglichst viele typische Pannen einer solchen Tour tatsächlich passieren.
Ersatzreifen im Schubfach
Also: Wie kriegt man ein zwischen 120 und 150 Kilogramm schweres Rad aus seinem Schubfach? Vor allem: Wie kriegt man das defekte Rad wieder rein? Ein Mann kann im Durchschnitt etwa 30-40 Kilogramm heben – wir rückten zu viert an.
Wir würden meine Frau & Fahrgefährtin und ich das alleine bewerkstelligen? Nur mit einem Flaschenzug.
Die Radschrauben mit Hilfe einer Verlängerung des Radkreuzes zu lösen, war dann gar nicht so schwer. André demonstrierte live, wie man mit Hilfe von zwei langen Metallstangen das defekte Rad herunter- und das Ersatzrad auf die Radschrauben des mit einem Stempelwagenheber aufgebockten Fahrzeugs heraufhebelt. War auch nicht schwer.
Tropfendes Öl, klemmendes Gaspedal
Unterm Unimog entdeckten wir bei dieser Gelegenheit, dass das Gehäuse des Verteilergetriebes mit Öl bedeckt war, das langsam zu Boden tropfte. Dafür verantwortlich zeichnete eine Dichtung, die den Namen nicht (mehr) verdiente – nur konnten wir (noch) nicht feststellen, welche.
Es galt, unser Tagesziel – die Weidegründe einer Nomadenfamilie bei Midelt, die wir bereits im vergangenen Jahr besucht hatten (siehe: Der Ziegenkauf) – zu erreichen, also sattelten wir erst einmal auf und fuhren weiter. Unterwegs der nächste Defekt: Eine Feder am Gaspedal verschwand auf Nimmerwiedersehen, so dass dieses sich nicht mehr in die Leerlaufstellung zurückstellte – weniger als 1500 Umdrehungen machte der Dieselmotor ab dann nicht mehr.
Hoffen auf Zagora
Dieser Umstand hinderte aber nicht an der Weiterfahrt. Am Tagesziel südlich von Midelt angelangt, stellten wir unsere sieben Offroader im Kreis auf und während die anderen Reiseteilnehmer von Tourguide Holger auf die kommende “Königsetappe” – die Durchfahrt durch den Cirque du Jaffar – vorbereitet wurden, gelang es André recht schnell, das Gaspedal zu reparieren.
Bei dieser Gelegenheit wurde offenkundig, dass es dem Getriebe am lebensnotwendigen Stoff Öl mangelte. Einen Liter Ersatz hatte ich dabei, der verschwand locker im Inneren des Getriebes. Ansonsten: Weiter fahren, beobachten, lautete die Devise. und: Spätestens in der “Rallyestadt” Zagora am Rande der Sahara-Ausläufer in Marokko mit ihren unzähligen Werkstätten reparieren lassen.
Zagora ist deswegen irgendwie eine magische Stadt. Dort werden alle technischen Probleme schnell und kostengünstig gelöst. Das war im Frühjahr 2014 mit unserem Land Rover Defender so. Das war im Oktober 2014 mit Andrés IFA so. Zagora, das klingt nach Rettung. Nach Rettung – und Riyadh.
Denn dort, in einigen Tagen, werden wir nicht im Unimog nächtigen, sondern in einem Baldachin-Bett in prächtiger orientalischer Umgebung. Und duschen, zum ersten Mal seit der Fähr-Überfahrt. (Wenn es Wasser gibt). (Was es meistens nicht gibt).