Endlich wieder rätselhafte Geräusche nachts! An der Skelett-Küste übertönt die Brandung alles, aber im Landesinneren erklingt eine Kakophonie von Luft- und Bodentieren. Die Klänge im hessischen Spessart weiß ich mittlerweile zu unterscheiden, aber die der Wüstenwelt Namibias sind so viel umfangreicher und vielfältiger…
Die Schotterpiste im Skeleton Coast Park bringt uns ab Torra Bay in Richtung Kamanjab; sie führt auf und ab entlang vieler Landschaftsformen ins Landesinnere, und am Rande künden große Kackhaufen aus Pflanzenmaterialien von großen Tieren. Aber keine Elefanten sind zu sehen…
Ein anderes großes Tier steht indes auf einmal gemütlich kauend am Straßenrand, und das wird die erste von vielen gemütlich kauenden Giraffen am Straßenrand sein, denen wir vor und im Etoscha Nationalpark in den kommenden drei Tagen begegnen werden. (In diesem Zusammenhang: Giraffen hinterlassen erstaunlich kleine Hinterlassenschaften.)
Derweil wirbeln wir Staub auf der breiten Schotterpiste auf – am Rand sind dann und wann ärmliche Wellblech-Hütten zu sehen, bei denen man vielleicht lieber nicht wissen möchte, wie es ihren Einwohner gelingt, im harten und heißen Wüstenleben zu (über-)leben. Die Einkommensunterschiede sind groß in Namibia.
Allein mit den Stachelschweinen
Unser Dachzelt schlagen wir zuerst nahe Kamanjab im abgelegenen Porcupine Camp auf – ein Schild, das von „Kaffee & Kuchen“ kündet, weist den Weg auf rund 300 Hektar, die Katrin Haenisch, geboren in Namibia, nahezu alleine im Alter von mehr als 70 Jahren (und nach einem Schlaganfall etwas steifbeinig) bewirtschaftet. Die Tochter hat das anstrengende Leben schon vor Jahren aufgegeben und ist mit ihrem Mann nach Swakopmund in die Stadt gezogen. Aber Katrin Haenisch bleibt – bis zum Ende.
Wie der Name suggeriert, bietet das Porcupine Camp eine Besonderheit: Nachts kommen Stachelschweine der Umgebung und lassen sich füttern und fotografieren. Und Katrin Haenisch hält einen kurzweiligen Vortrag über diese eigenwilligen Tiere und ihre Verteidigungsstrategie, die Löwe und Leopard fürchten.
Uns Vegetariern serviert sie auf der „Lappa“ – Wohnhaus, Küche, Restaurant, Veranda in einem – Rosenkohl, Brokkoli, Möhren, Bohnen, Soße wie „bei Muttern“. Wir sind zusammen mit einem Berliner Pärchen derzeit die einzigen Gäste; und Katrin lässt keinen Zweifel, dass sie um jeden namibischen Dollar kämpft. Zu ihr kommen nur Stopover-Besucher, die auf dem Weg nach Norden oder wie wir nach Etoscha sind. Wer vorbeifährt, verpasst die schönsten Outdoor-Sanitäranlagen der Welt.
Am nächsten Tag passieren wir am Galton Gate den Eingang in den berühmten Etoscha-Nationalpark. Der Permit ist zeitlich sehr begrenzt: In drei Tagen müssen wir um 13.25 Uhr am anderen Ende rausfahren. Wiederum sehr wechselnde Landschaftsformationen (dichte Savanne, lockere Savanne, Steppe,…) ziehen an den Hilux-Fenstern vorbei … und … Tiere, Tiere, Tiere: Springböcke, Oryx-Antilopen, Zebras, Zebras, Giraffen, Zebras, Giraffen, … und … Elefanten!
In Okaukuejo, einem zentralen Camp von großer Weitläufigkeit, suche ich nachts nach dem Waschgang unser Auto und verlaufe mich. Ein Ranger weist den Weg. Zuvor hatten wir uns der zentralen Übung „Menschen, die auf Wasserlöcher starren“ gewidmet – die Etoscha-Camps verfügen allesamt über große Wasserlöcher, zu denen die Tiere streben. In der sommerlichen Regenzeit auf der Südhalbkugel nicht so sehr wie während der Trockenzeit im Winter: Es finden sich mehr Pfützen in der Weite.
An den Wasserlöchern, die meist an die Camps direkt angrenzen, finden sich zahlreiche Sitzgelegenheit und ist Stille angesagt. Und tatsächlich schälen sich nach und nach Tierkörper aus dem Dunkeln. Dass lauter Touristen Ferngläser, Fotoapparate und Smartphones auf sie richten, scheint sie kaum zu stören.
Rhinos am Rande des … Wasserlochs
Im nächsten Camp in Halali kommen drei oder gar vier Nashorn-Mütter mit ihren Kälbern ans Wasserloch, eine von den Damen ist gar grantig und muffelt die anderen an, während ihre beiden Jungen schüchtern sich das Nashorn stupsen. Zwei Tüpfel-Hyänen mustern die Rhino-Mutter, sind aber einträchtig der Meinung, dass dieser Brocken zu groß ist. Rhinos wiederum scheinen Meister der Meditation zu sein, denn sie können sehr gut sehr lange nichts tun – außer vor sich hinzustarren.
Ein wildes Schnauben und Grunzen ertönt in Halali aus den Büschen und Sträuchern; ein Nashorn kommt herausgestampft, dreht sich um – und starrt ins Grün. Alle anderen Nashörner tun es ihm nach – was bloß kann die Riesen in Unruhe versetzt haben? Wer immer es mit entsprechendem Bedrohungspotenzial war, erfahren die menschlichen Besucher an diesem Abend nicht. Nach und nach ziehen die Nashörner ab – der Zuschauer blickt betroffen, der Vorhang zu und alle Fragen offen.
Im dritten Übernachtungscamp am ehemaligen deutschen Militärfort Namutoni findet kein Tier den Weg zum Wasserloch. Macht nichts: Die langen Fahrten auf verzweigten Pisten zu und zwischen den einzelnen Camps sind das eigentliche Abenteuer – mehr als 150 Kilometer jeweils, vor allem entlang diverser, abseits gelegener Wasserlöcher, meist mit deutlich weniger als 60 km/h.
Die Landschaft ist immer und überall in Namibia ein Abenteuer, aber in Etoscha ballen sich Tiere zuhauf: Kudus und Gnus samt ihren Winzlingen auf Armeslänge am Pistenrand, zwei Löwen schlafen unter einer Akazie. Übermütig spielende und balgende Zebras. Ein munteres Warzenschwein, das vergnügt ein Wasserloch umrundet und sogar darin badet. Giraffen, Giraffen, Giraffen.
Beim Weg vom nahezu leeren Camp Halali nach Namutoni wählen wir die Piste, die direkt an der flimmernden Etoscha-Pfanne entlangführt. Ein Lookout führt einige Kilometer in die Salzwüste hinein: In der Ferne das absolute weißliche Nichts, in dem gleichwohl sich wandernde Tiere erahnen lassen.
Beeinträchtigungen gibt es in den drei Camps auch, aber die gehen von Menschen aus: In Okaukuejo eine Kfz-Alarmanlage, die mitten in der Nacht losplärrt; in nahezu leeren Halali hat ein deutsches Paar neben uns sein Zelt aufgeschlagen und diskutiert bis tief in die Nacht – und die energisch in Afrikaans geführte Diskussion unserer Nachbarn auf der Namutomi-Campsite ließ darauf schließen, dass bei dem Paar auch im Urlaub nicht alles zum Besten steht.