Minimalismus auf Reisen mit einem Unimog? Wir bewegen uns schon low-budget und unter nahezu primitiven Umständen vorwärts, doch Farha ist ganz anders unterwegs: browngirlonabike ist ihr Instagram-Name und Aussage genug. Sie betreibt ein Blog gleichen Titels.
Farha ist stammt aus East London, ursprünglich aus Kashmir, ist Frau, Muslimin und brauner Hautfarbe. Sie lebt unter quasi dreifacher Be- und Vor(-ver)-Urteilung; und sieht sich quasi multifaktoriell kolonisiert. Dieser Enge und Bedrücktheit will sie entfliehen und das finden, was sie selbst jenseits aller Erwartungshaltungen und Etiketten ausmacht.
Mit 50 kg Gepäck auf einem alten Stahlrad
Sie ist jung, hat mit traumatisierten Flüchtlingen gearbeitet, den Job gekündigt, ein altes Stahlrennrad beträchtlichen Gewichts erworben und überarbeiten lassen und ist losgeradelt. Ohne eine wirkliche Ahnung vom Radfahren, von den 50 Kilogramm Gewicht, die sie an Gepäck mit sich führt– die ersten hunderte von Kilometern in England und Frankreich ist sie oft gestürzt.
Wir überholen sie auf dem Weg in die Westsahara; glauben erst nicht unseren Augen, als sich ein schmaler Körper mit einem violetten Oberteil auf einem Rad die von marokkanischen Lastwagen dicht bepilgerte Teerstraße entlangkämpft. Die Trucker haben es eilig, sind jenseits jeder Lastgrenze beladen und kennen keine Rücksicht.
Vertrauen und Angst
Als wir am Lac Naila am Nationalpark bei Akhfenir einbiegen und an einer Lagune, die die Zwischenstation von Flamingos, Löfflern, Reihern und anderen Zugvögeln darstellt, einen Übernachtungsplatz suchen, ist sie einige Zeit später auch da. Fragt, ob sie ihr Zelt in unserem Schutz aufbauen darf, und ihr Rad an den Unimog lehnen.
Manchmal schläft sie in Herbergen und Pensionen, sofern es sie gibt, manchmal betreibt sie Couchsurfing. Manchmal krabbelt sie zu einem Hirten ins Zelt in Hoffnung auf seine Lauterkeit. Sie ist unbefangen, aber nicht naiv, hat ein Urvertrauen und den strengen Wunsch, ihren Ängsten nicht nachzugeben.
Auf dem Weg nach Kapstadt
Sie wird häufig eingeladen, so auch von uns, und erhält Essen und Trinken von anderen Fahrenden der Landstraße. Auch von Lkw-Fahrern. Sie trotz dem Wind, dem Sand, den Gefährdungen, der Müdigkeit; und sie hat anscheinend keine Ahnung, was sie leistet: Seit vier Monaten unterwegs, jeden Tag etwa 120 Kilometer, jetzt noch durch die Westsahara, dann Mauretanien, dann eine Woche Pause im Senegal.
Sie will aber nach Südafrika. Durch die westafrikanischen Länder, durch Nigeria, den Kongo. Sie weiß um die Gefahren dort; doch sie meint, einen Weg zu finden. Wir sitzen in unserem 7,5-Tonnen-Ungetüm, der wie ein Pseudo-Panzer wirkt, und sind maßlos beeindruckt.
Wir haben drei Langdistanz-Triathlons (“Ironman”) absolviert, und sie glaubt tatsächlich, dass sei eine größere als ihre Leistung. Fahra radelt schutzlos, ohne jede trennende Wand gegenüber der Außenwelt. Aber sie fühlt sich eins, wenn sie in die Pedale tritt. Wenn es nur noch den Rhythmus des Radfahrens gibt. Sie wird Kapstadt erreichen, insch’allah!