Manchmal ist man in der Ferne, und kommt nach Hause. Doch man muss erst einmal ankommen. Venishree und Jürgen Mayer haben die Managerwelt verlassen und sind in einer kleinen Farm bei Tulbaugh angekommen.
Mittlerweile haben sie viel Erfolg mit ihren prämiierten Olivenölen (-> Adhara Evoo & -> CapeGoods). Und sehnen sich dennoch manchmal wieder nach der Managerwelt. Sie vermieten auf ihren 500 Hektar Land – allzu groß ist die Fraaigelegen-Farm für südafrikanische Verhältnisse also nicht – auch einige Cottages für Selbstversorger und einige Stellplätze auf der Campsite. Für letztere machen sie kaum Werbung – an der nahelegenen Landstraße verweist kein Schild darauf, und sie sind nur in Smartphone-Apps vertreten, die Overlander kennen.
Keine Radaubrüder
„Ich will hier keine Radaubrüder haben“, erklärt mir Jürgen am Lagerfeuer später; wenn ein junger Mann anrufe, stelle er gleich die Frage, ob es sich um einen Junggesellenabschied handele – „ich weiß, wie ich früher war“, meint er dann grinsend, „und ich möchte den damaligen Jürgen nicht als Gast haben“. Tatsächlich muss man tief in den Busch in eine Offgrid-Ecke fahren, um den feier- und trinkfreudigen Südafrikanern, die die familiäre Geselligkeit sehr schätzen, zu entgehen.
Tja, das alte Thema. In Südafrika, so habe ich nicht zum ersten Mal erfahren, gibt es jede Menge Regeln – die aber nicht durchgesetzt oder erst recht nicht befolgt werden. Auf der Beaverlac Campsite strotzte es nur von Verweisen auf die Benimm-Regeln an jeder Ecke, inkl. der Drohung, sofort bei Zuwiderhandlung des Platzes verwiesen zu werden. Hat sich jemand dran gehalten? Nein. Ist jemand rausgeschmissen oder auch nur angesprochen worden? Nein.
Seltene Verbindung
Im südafrikanischen 4x4community.co.za-Forum findet sich ein Thread, der dergleichen thematisiert – die einzige Chance, den lautstarken Landsleuten zu entgehen, ist, so tief wie möglich in den Busch zu fahren und weit weg von der Stelle, wo der letzte 220 Volt-Stromanschluss zu finden ist, zu sein. Scheint ein bisschen typisch für das Land zu sein. Aber das ist ja eh verloren…
Jürgen und ich verstehen uns auf Anhieb gut; und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass er ein liberaler, offener, welterfahrener Mensch ist – verheiratet mit einer Südafrikanerin indischer Herkunft. Eine eher seltene Verbindung in Südafrika, wo die Vertreter der diversen Hautfarben und ihrer Nuancierungen eher unter sich bleiben. Und so wissen die beiden aufs Thema Rassismus angesprochen zu berichten, dass Rassismus nicht der weißen Elite vorbehalten bleibt.
Alle Hautfarben können Rassismus
Sie erzählen etwa, dass die verschiedenen Angehörigen von Xhosa und Zulu aufeinander herbabblicken, dass die freundlichen und friedlichen San sowieso schon immer von allen verfolgt und verdrängt wurden, und dass etwa Venishrees indische Großmutter der Meinung war, dass der Teint ihrer Enkelin viel zu dunkel und diese darob zu verstoßen sei.
Da Jürgen mich „gegooglet“ hat, weiß er um meinen Beruf als Krav Maga Instructor – und daher sprechen wir alsbald über Selbstverteidigung und Sicherheit. Wenn einem etwas das Land vergällen kann, dann die weit verbreitete und meist auch extreme Gewalt, die meist mit Schusswaffengebrauch, enormer Brutalität und Grausamkeit einhergeht. In Beaverlac hatte ein Gesprächspartner die launige Bemerkung von sich gegeben, dass man bei einer Reifenpanne am Straßenrand nicht wisse, ob die Insassen eines anhaltenden Autos einem helfen oder einen erschiessen wollen…
In Fraaigelegen versucht man dennoch entspannt zu bleiben und sich der Festungsmentalität der meisten weißen Südafrikaner zu entziehen. Jürgen und Venishree setzen auf den Abschreckungseffekt ihrer Hunde; und nicht viel mehr. Den Nachbarn, die wir in Stellenbosch in ihren Häusern mit hohen Mauern, Glassplittern und Elektrodraht oben drauf, beschützt durch Videoüberwachung und „Armed Response“-Patrouillen, kennengelernt haben, müssen die Mayers bedenklich naiv vorkommen.
Ganz ähnlich geht es bei Freunden der Fraaigelegen Farm zu: Auch Peter und Martin von der Fynbos Guest Farm pflegen einen offenen Stil und betreiben vor allem ein Animal Sanctuary – ein privates Tierrefugium mit sympathisch spirituellem Charakter. Ein Ort des Friedens und der Freude – eine Atmosphäre nicht unähnlich der Enjo Nature Farm. Dazu mehr im nächsten Beitrag…