Südafrika VII/IX: Auf Hühner starren & mit Eseln reden

Going nowhere slowly könnte das Motto des „Amphibiums“ sein (warum dieses Blog überhaupt so heißt? Siehe hier…), und so rödele ich für meine Verhältnisse eher zügig von Ceres aus auf einer kleinen, gewundenen Schotterpiste ins Koue Bokkeveld, als eines dieser bunt in den südafrikanischen Farben lackierten Sammeltaxis an mir vorbei rauscht.

Leute, die es eilig haben, lasse ich immer vorbei, der Fahrer dieses vollbesetzten Gefährts bedankt sich artig, und weg ist er. Der Toyota Hiace-Kleinbus ist in Südafrika das Standardfahrzeug für Sammeltaxis, und das aus gutem Grund: Er steht den Toyota-Modellen Hilux und Landcruiser an Unverwüstlichkeit in nichts nach und wer sieht, welche Geländepisten die Sammeltaxifahrer damit fahren, lässt seine teuer aufgerüstete Offroadschleuder weinend stehen.

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Ich treffe Fahrzeug, Fahrer und Insassen dann an der Rezeption der Kagga Kamma Nature Reserve wieder; der Mann lädt die Koffer der bajuwarischen Reisegruppe – unschwer an ihrer Globetrotter-Vollausstattung und ihren Klangmerkmalen zu erkennen – aus. Der Schwarze kommt freundlich winkend auf mich zu, Gottseidank redet er englisch und nicht Afrikaans, und so versuche ich flugs meine Zunge vom schweren deutschen Akzent zu befreien.

<Meine südafrikanischen Freunde verzeichnen wohlwollend, dass ich outfitmässig wie sie daher käme, wogegen mein deutsch-namibischer Chefmechaniker spöttelt, ich sähe wie ein „Schutztruppler“ aus: immer in Khaki (dabei trage ich doch auch gerne Oliv!). Jedenfalls werde ich immer & überall (in Nord- & Westkap) in Afrikaans angesprochen, was sicherlich einerseits damit zu tun hat, dass ich aus einem Land Rover mit südafrikanischem Kennzeichen aussteige, andererseits damit, dass ich mich dem südafrikanischen Alltagsstyle weitgehend angepasst habe. (Jetzt muss ich nur noch am Afrikaans arbeiten.)>

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Was ein Nobelschuppen! … ist der erste Eindruck am Rezeptions- & Restaurantgebäude der Kagga Kamma Nature Reserve. Die Tische alle so ordentlich und elegant gedeckt… und ein Spa, das u.a. Massagen namens „Khoi-Khoi Decadence“ oder „Majestic Rolling Sands“ bietet. Abgesehen davon versorgt sich Kagga Kamma mit Strom aus der eigenen Solarfarm und versucht in verschiedenen Belangen Sustainability-Vorreiter zu sein.

Die „Klipspringer“-rustic campsite liegt einige wenige Kilometer außerhalb (es gibt noch eine andere, die man mit normalen Pkw erreichen kann) und besteht aus Boma und einem halben Dutzend Campspots, die lose verstreut zwischen den XXL-Cederbergbrocken verstreut liegen. Die Boma entpuppt sich als kreisrunder Platz mit einer großen Feuerstelle & Feuerholzstapeln in der Mitte. Daneben der hübsch gestaltete Ablution Block. Und Campsite No. 1 ist mit das Beste, wo ich jemals war. Und den ganzen Komplex habe ich nun für mich ganz alleine!

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Kagga Kamma ist sehr typisch darin, wie sehr sich private/privatwirtschaftliche Lodges und Campsites von staatlichen unterscheiden. Erstere sind sauber, ordentlich, gut in Schuss, mit viel Liebe zum Detail ausgestattet, mitunter einhergehend mit designerischen Extravaganzen. Während Sanparks-Etablissements es gerne an Wartung & Pflege der Einrichtungen missen lassen. Und dabei häufig teurer sind.

Am nächsten Tag geht es auf einer Schotterpiste weiter – quasi quer zur Asphaltstraße zwischen Matjiesfontein und Sutherland. Sie ist als Gravelpad ganz ordentlich, man kommt an vielen Farmen vorbei, aber zwischendurch ist sie völlig kaputt, schmal, Auswaschungen, enge Flussdurchfahrten etc. Da haben die Regengüsse und Fluten ganze Arbeit geleistet. Ein Ford Ranger mit einer Maschine auf der Ladefläche überholt mich ganz munter; später steht er mit einer Panne am Wegesrand – ich muss nicht anhalten, denen wird schon geholfen.

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Später kommt mir ein großer Lkw mit Anhänger entgegen! Bodenfreiheit hat der auch nicht, und ich weiß wirklich nicht, wo der hin will und wie der das schaffen soll. Der kann ja angesichts der Geländes und des Bewuchses auch nicht zurücksetzen oder wenden…

Am berühmt-berüchtigten Tankwa Padstall kaufe ich Cola & Chips (muss manchmal sein!) und schaue mir die wilde Biker-Truppe an, die gerade Rast macht. Auf den Jägermeister in der Cola – ortsübliche Stärkung unterwegs – verzichte ich allerdings. Der Weg dauert länger als kalkuliert. Und er zieht sich, bis ich auf die Asphaltstraße gen Roggecloof und Sutherland einschwenke. Körpereigene Drogen – übersetzt in Glücksgefühl & Stolz wg. Souveränität & Unabhängigkeit – sind schon besser als Kräuterlikörplörre.

Hühner und Esel

Leider flott am Tolhuis vorbei (da waren wir schon zweimal), keine Zeit, dort einzukehren (der Wirt hätte ohnehin mit Whisky, Brandy u./o. Jägermeister gedroht), und in Sutherland getankt. Dann noch ein bisschen angesichts anbrechender Dunkelheit auf die Tube gedrückt – mit den neuen Reifen sollte da nix schiefgehen.

Len, der Oupoort-Farmmanager, empfängt mich freundlich, und wir beginnen sofort ein Gespräch, in das er deutsche Brocken streut. Dann fahre ich zum anderen Farm-Haus rüber, wo meine südafrikanischen Freunde Mark und Brian (und dessen Sohn Albert) am Braai-Feuer in einer ehemaligen Waschtrommel warten. Und so zähle ich alsbald zu diesen Männern, die auf Hühner starren und sich mit Eseln unterhalten. Und, nein, das muss nicht erklärt werden.

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Man kommt morgens in Oupoort langsam in die Gänge. Kaffee zuerst natürlich, und die ersten Gespräche. Die drehen sich meist um Land Rover & Land Cruiser, Overlanding, aber auch ums Schlachten und Zerlegen von Lämmern und Schafen. Ist halt eine Schaffarm. Da darf man als Vegetarier oder Veganerin nicht zimperlich sein und sollte die Realitäten anerkennen & akzeptieren können.

Dann brechen wir zu einer Bakkiefahrt auf den Farmroads auf. Ich fahre zum ersten Mal auf der Ladefläche stehend – wie ein Bub, großartig! Dabei sehen wir uns die von Farmbesitzer Brian geplante Campsite an, die weitab der Gebäude auf der anderen Seite der Straße von Sutherland nach Middelpos liegen wird. Dabei fährt Brian Wege entlang, bei denen ich gar nicht auf die Idee käme, dass es Wege sein könnten. Und das mit einem 2×4-Bakkie!

<Hatte ich schon einmal erwähnt, dass der deutsche Besucher der Abenteuer+Allrad-Messe seinen 80.000€-Offroader kaum auf Wegen zu bewegen wagt, die der Einheimische – in Marokko wie Südafrika – mit einem Peugeot 208 oder Opel Corsa fährt?>

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Im Anschluss geht es ins 16 Pistenkilometer entfernte Middelpos zum dortigen Hotel, wo eine unwillige Frau und schließlich deren dicker Mann mit Schlabberkinn die Bar öffnet – eines dieser obskuren Etablissements, wie sie in den Karoospace-Büchern beschrieben werden.

Eine Truppe rauer Biker trifft ein, was die Szenerie noch skurriler macht. Natürlich Fragen nach mir und dem Land Rover. Scheinbar gilt jeder als verwegen und mutig, der sich mit einem solch unberechenbaren Gefährt auf Solo-Trip in die Weiten der Karoo wagt… und schon ist man auf Augenhöhe. Das kostet aber auch ein paar Bier. In Südafrika ist es vielleicht möglich, als Vegetarier durchzukommen – nicht aber als Abstinenzler. Sorry, Nathalie!

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Zurück auf der Oupoort-Farm starten wir zum Sundowner-Gamedrive mit 125er und 250er Cross-Motorrädern. Ich bin vor rund 40 (!) Jahren zum letzten Mal auf einer Enduro gesessen (Yamaha XT 500 und Honda Dominator), aber offensichtlich ist das wie Fahrrad- oder Skifahren – ganz verlernt man das nicht mehr. Ein bisschen ungelenk, aber schalten & bremsen & lenken ging flüssig, nur nicht im tiefen Sand. Aber die anderen hatten da auch zu kämpfen… ;-)

Na, und dann haben wir natürlich noch mal gebraait, bis Mitternacht. Nee, kein Jägermeister, aber Castle Light.