Spanien ist so etwas wie meine zweite Heimat. Meine Mutter lebt seit Jahrzehnten dort, zusammen mit ihrem spanischen Lebensgefährten (der wiederum so etwas wie mein Ersatz-Vater ist). Und mit diesem begann mein Faible fürs Reisen: Als ich etwa 17 Jahre alt war, fuhr er mit seinen drei Söhnen und mir als Teenager mit seinem VW 1600 Variant Kombi in einen mehrwöchigen Zelt-Urlaub gen Südfrankreich und Spanien.
Die übliche Tour, inkl. Auf- und Abbau der Zelte im Regen. Vermutlich kann ich aufgrund dieser Erfahrungen bis heute wenig mit Zelten anfangen und ziehe das feste Dach eines Reisemobils vor. Aber den Reise-Virus habe ich mir eingefangen, besonders wenn man von einem Ort zum anderen weiterzieht.
(Es gab damals eine TV-Serie namens „Die Globetrotter“ – ein Text- und ein Fotojournalist erleben Abenteuer bei ihrer Weltreise -, die auch nicht unwesentlich dazu beigetragen hat).
Das ist mehr als vier Jahrzehnte her, wir Schüler und späteren Studenten gingen in den „Spanier“ – eine Kneipe mit urwüchsigem galizischen Bahnhofscharme, in der geraucht und die Kippen auf den Boden geworfen wurden. Man konnte die Füße hochlegen, Café Carajillo trinken, Vino Tinto und dünnes San Miguel-Bier sowieso. Für unsere schmalen Geldbeutel waren die Tapas bezahlbar.
Der „Spanier“ – mit ihrem richtigen Namen haben wir die Kneipe nie genannt – war der Zufluchtsort von Ordnung und Disziplin der eigenen Familie. Man durfte da alles, was man dort nicht durfte, inkl. Füße auf den Tisch legen und den Esstisch dreckig hinterlassen. Im „Spanier“ gehörte das einfach dazu – dort ging es laut und lässig zu.
Und so ist es eigentlich immer geblieben. Ich war in vielen Ländern mittlerweile, aber Spanien wäre der Raum, in dem ich bliebe. Wo ich bleiben würde. Die zweite Heimat eben. Zwei Gegenden haben es mir dabei besonders angetan, die weit auseinanderliegen, in vielerlei Hinsicht, nicht nur geografisch: Galicien im Nordwesten, Andalusien im Süden.
Den April habe ich im andalusischen Sevilla verbracht, u.a. mit einem Sprachkurs (den leider habe ich in all den Jahren kein Spanisch gelernt, das über das Bestellen von Bier und Brot hinaus ginge). Auch wenn die Bewohner von Al-Andaluz ihren eigenen Dialekt pflegen, der gewöhnungsbedürftig ist: Ein Drittel der spanischen Wörter stammt aus dem Arabischen… Den Mai in den galizischen Bergen nahe der Grenze zum benachbarten Portugal, etwa 60 Kilometer entfernt vom Wohnort meiner Familie in der regionalen Provinzhauptstadt.
Zwei Monate in Andalusien und Galicien, einfach so nur zum Leben. Kein Sightseeing, keine besonderen Besichtigungstouren, keine besonderen Abenteuer; einfach nur leben wie selbstverständlich woanders… In Sevilla stand meine Wohnung, der Unimog, auf einem ruhigen Campingplatz in einem nahegelegenen Ort; ansonsten Wochen des quirligen Stadtlebens in einer von Frühjahrstouristen und der Santa Semana geprägten Stadt. In den montanas Galiciens dagegen das einsiedlerische Gegenprogramm in der Bergwildnis – Unterkunft ein sehr abgelegenes, schwer auffindbares Haus auf einem eichenbestandenen, ummauerten Gelände.
Ein bisschen Sport, viel Cabrio fahren in der Sonne, in den Bergen, am Meer. Wandern, Speer schnitzen, Brot backen. Am Kaminfeuer lesen und schreiben.
Link zu einem Panorama-Foto
Zwei Wochen kam Reise- und Lebensgefährtin Beate mich besuchen: Wir verbrachten die gemeinsame Zeit in Sevilla, in Salamanca, im portugiesischen Porto und in Galicien.
Spannende Begegnungen gab es unterwegs: In Sevilla traf ich einen Radfahrer, der von Nordfrankreich herunter geradelt war, auf dem Weg nach Portugal zu einer Verwandten, der er als gelernter Zimmerer beim Hausbau helfen wollte. Und auf dem Weg nach Deutschland nahm ich an einer Tankstelle einen Tramper mit, der mit nichts als kleinem Rucksack und einer Gitarre unterwegs war – nach Limoges zu einer hübschen Frau, dann nach Paris zu seinem Sohn. Julien, so sein Name, ist (immer) ohne Geld unterwegs, und lebt (wenn zuhause) in einer selbstgebauten Hütte im Wald. Und von dem, was der Wald und die Leute ihm geben.
Der Grünimog wirkt bei solchen Begegnungen immer als Magnet; er zieht scharenweise Leute an, es werden so viele Fotos von ihm geknipst, das man Geld dafür nehmen müsste. Wie viele „Daumen hoch“-Zeichen man unterwegs gezeigt bekommt, lässt sich nicht mehr zählen. Aber egal ob ehemaliger Bundeswehr-Schrauber, spanischer Offroad-Freak, osteuropäischer Lkw-Lenker oder postmoderner Post-Hippie – die Kontakte sind immer freundlich, spannend, manchmal berührend.
Den Unimog hatte ich nach der jüngsten Marokko-Exkursion im Dezember 2018 in Sevilla für knapp vier Monate auf einem Caravan-Stellplatz geparkt (Die Miete? Nicht der Rede wert…), nunmehr kam er wieder nach Deutschland. Der Rückweg nach Deutschland dauert vier Tage, immer in Etappen möglichst mautfrei neben den gebührenbewehrten Autobahnen Spaniens und Frankreichs her. Der Weg ist das Ziel, und deswegen geht es gar nicht darum, so schnell wie möglich vorwärts zu kommen. Der Weg heim ist Teil der Reise und wird als solcher zelebriert.