Wer von den Frankfurtern geht privat zum Kaffee- oder Apfelweintrinken auf den Römerberg, wo Touristenscharen sich im historischen Ensemble auf und ab bewegen? Na also: Unser Bekannter in Marrakesch findet es auch keine gute Idee, sich ausgerechnet im Café de France am Djamaa el-Fna zu treffen…
Der „Platz der Gaukler“ mit ebensolchen, Händlern, Schlangenbeschwörern, Musikanten, Wahrsagerinnen, und vielen anderen mehr ist weltberühmt, vielfach beschrieben und besungen…; nachdem wir unser Fahrzeug auf dem üblichen Campingplatz am Stadtrand abgestellt hatten, sind wir am nächsten Tag natürlich dahin aufgebrochen. Man kann dem Touristenzentrum Marrakeschs nicht wirklich entgehen.
Umdrehen und weggehen
Nicht ohne zuvor Zeugen einer herzlichen Schreierei zwischen Campingplatz-Bediensteten und einem Taxifahrer zu werden. Wenn man in Marokko Taxi fährt, ist man tunlichst nicht blauäugig, sondern erkundigt sich zuvor nach dem Fahrpreis: Darin sind wir mittlerweile nach der vierten Marokko-Tour geübt, und es hat sich schon als erfolgreiche Taktik erwiesen, bei Uneinigkeit einfach zum nächsten Taxi zugehen und dessen Fahrer nach seinen Preisvorstellungen zu fragen.
Bei diesen Gelegenheiten wie beim Handel im Souk ist das meist die letzte Karte, die der Tourist ziehen kann: Nachdem das angeblich letzte Preisangebot steht, mit dem sich der Händler (oder Taxifahrer) schon vor dem existentiellen Aus stehend darstellt, sich umdrehen und gehen. Und, keine Sorge, der Händler kommt immer auf seinen Schnitt, selbst wenn der erfahrene Marokko-Besucher meint, er habe schon viel heruntergehandelt.
Nepper und Schlepper
Da geht es mehr um Spaß & Spiel beim Handeln. Spaß hat allerdings der Taxifahrer am Campingplatz nicht verstanden, sondern die Ausfahrt blockiert, sich vom Ruf nach der Polizei nicht beeindrucken lassen, einen Taxi-Konkurrenten angemault… zu guter Letzt haben die Leute vom Campingplatz uns regelrecht in ein anderes Taxi bugsiert und zu verstehen gegeben, dass immer mit speziell diesem Taxifahrer Probleme entstehen – er nehme überhöhte Preise und halte sich nicht an die vom Campingplatz für seine Gäste ausgehandelten Tarife.
Eine ähnliche Schreierei werden wir wenig später im Souk erleben; eigentlich eine klassische Geschichte: Ein junger Mann bietet sich als Führer zu Gerbereien und Lederwaren-Viertel an, weil es da viel bessere Ware und viel niedrigere Preise als im Eingangsbereich des Souks am Djamaa el-Fna gebe. Selbstverständlich unentgeltlich (was er mehrfach betont und beteuert) und nein, natürlich nicht, wir müssten auch nichts kaufen…
Spaß und Schreiereien
Da ist es auch noch Spaß & Spiel, wenn wir uns zunicken und in die Richtung gehen, während unser selbsternannter Guide vorneweg trabt und ein Auge darauf hat, dass wir uns nicht unversehens in eine andere Richtung absetzen. Nachdem er uns diverse Geschäfte und Gerbereien gezeigt hat und wir den Rückweg antreten wollen, kommt es, wie es kommen muss: Er will Geld, aber nicht für sich, sondern eine „Association“ des Viertels – wir schütteln energisch die Köpfe, er wird sauer, ziemlich laut und ausfällig…
Wir gehen weiter, und ein Mann im Türrahmen eines nahen Shops klatscht uns Beifall – und winkt uns ungerührt in seinem Laden… Da wir uns in den Untiefen des Souks freiwillig verlaufen haben (aber auf unseren Orientierungssinn, den Kompass und das GPS-Navi vertrauen) bieten uns an mehreren Ecken junge Männer ihre Dienste an, um uns zum Djamaa el-Fna zurück zu bringen. Oder die Richtung dahin weisen.
Verbrannte Erde
Die häufig nicht stimmt, sondern einen weiter ins Labyrinth der Gassen und Gässchen bringen würde. Vielleicht gibt es eine „Association“, die vielleicht darin besteht, ahnungslose und desorientierte Touristen sich immer tiefer verlaufen zu lassen – und irgendein freundlicher junger Mann wird sie dann auflesen, sie werden erleichtert über den netten jungen Mann sein, und sie werden sich erkenntlich für die selbstlose Hilfe zeigen,…
Solche sind die Marrakshis, über die sich ein junges Paar am Lac Naila beschwert hat, und unser in Marrakesch ansässiger Bekannter sieht es genauso: Im Souk ist die Konkurrenz untereinander so groß, dass die Händler eine Geschäftspolitik der verbrannten Erde in Kauf nehmen: Jeden Touristen so weit auszunehmen, wie es irgendwie geht – der kommt sowieso nicht wieder.
Schließlich verlassen wir das Touristenzentrum Marrakeschs und fahren mit unserem Bekannten in einen Vorort zu dessen Haus: Dort erwartet uns für den restlichen Abend ein Palast von einem weitläufigen Haus über drei Stockwerke – eine Art moderne Version von tausendundeiner Nacht – und die Gewissheit, dass wir beim nächsten Marrakesch-Stopp unser Fahrzeug nicht mehr auf den Campingplatz stellen müssen.
Der Rückweg zum Fährhafen in Tanger Med verläuft zügig und ohne weitere Sentimentalitäten entlang der Route, die wir auf dem Hinweggenommen haben: Übernachtungsstopp in El Jadida, wo wir noch mal ins nachmittägliche Markt-Treiben eintauchen (nicht ohne die Erfahrung zu machen, dass sogar jungen Menschen arabischen Kontextes zu Deutschen nichts Besseres als „Hitler“einfällt; mit wohlwollendem Beiklang wohlgemerkt).
Statt in Asilah legen wir auf dem Rückweg eine Übernachtung in Larache ein: Dort wird es sich auf der anderen Seite am Hafen begeben, dass wir unser Fahrzeug auf einer großen Parkfläche (im Sommer hat’s hier stetes Surfer-Treiben) abstellen und einem jungen Mann mit defektem Auto einen Schraubenschlüssel leihen – und er uns darob Bier, Wein und Koks anbietet.
Es wird eine der ganz wenigen unruhigen Nächte unserer vierwöchigen Tour, da die Parkfläche der örtlichen Party-Jugend dazu dient, mit ihren Autos auf und ab zubrausen; und wir wollen auch lieber nicht wissen, was sie sich eingepfiffen haben.
So wird zum Fazit der Fahr-Tage, nachdem wir in Quarzazate waren, dass der Nordwesten Marokkos nicht das ist, wo wir gerne noch mal hinfahren möchten. Im Schlepptau der gut situierten Touristen, die mit Flugzeug & Reisebus oder Wohnmobil auf den gut ausgebauten Straßen ins Land kommen, dümpeln die Schlepper und Schnorrer, die auf ihre Art versuchen, ein bisschen Rahm abzuschöpfen. Im Süden wird einem solcherlei kaum passieren; in der Wüste gilt immer noch weitgehend das Gesetz der gegenseitigen Hilfe.
Und folglich werden wir beim nächsten Besuch – insh’allah im kommenden April – das Pure Land der Sandes & Staubes, das nur unter Anstrengungen und mit Hilfe eines geländegängigen Fahrzeuges zu er-fahren ist, so schnell wie möglich direkt ansteuern. Und wir ziehen an dieser Stelle und zu dieser Zeit noch einmal den Hut vor Farha, die mittlerweile mit ihrem Fahrrad die Westsahara und Mauretanien durchquert hat und im Senegal angekommen ist.