Stress, und wie man damit umgeht – da hilft in gewalttätigen Extremsituationen Krav Maga, im Alltag, in Beruf und Familie jedoch Achtsamkeit in Form des MBSR-Programms. MBSR steht dabei für Mindfulness Based Stress Reduction – zu deutsch: Stressbewältigung durch Achtsamkeit.
Stress ist ursprünglich ein Begriff aus der Werkstoffkunde und wurde später in die Psychologie übernommen. Im Krav Maga kennen wir viele Stress-Drills – Übungen, die physisch und mental herausfordernd sind, und die die eigene Performance in einer Drucksituation sowohl einüben wie überprüfen sollen. Beim Krav Maga beschäftigen wir uns also mit physischen Übungen, die auch die mentale Belastbarkeit erweitern. Freilich kommen Krieg, Kampf und Katastrophen in unseren Breitengraden glücklicherweise eher selten vor.
Resilienz ist wie physische Fitness trainierbar
Stress im Job oder Verlust des Arbeitsplatzes, Beziehung gescheitert oder Ärger mit dem Nachwuchs, eine lebensbedrohliche Krankheit – das hingegen kann jede und jeden treffen. Manche Menschen zerbrechen an Schicksalsschlägen, werden drogen-, alkohol- oder medikamentenabhängig, verfallen in Burn-out und Depression. Andere haben stärkere Ressourcen, um Krisen zu überstehen: Diese innere Widerstandskraft nennt man in der Psychologie „Resilienz“ – und sie ist ebenso wie physische Fitness trainierbar.
Das Wort “Resilienz” stammt wie „Stress“ aus der Werkstoffkunde. Resilient ist, was sich unter einer Belastung zwar verformt, aber nach dieser Belastung seine ursprüngliche Form wieder annimmt. Eine hohere Resilienz bei Menschen bedeutet eigentlich ein starkes inneres Immunsystem – manchmal schwächelt der Organismus unterm dem Ansturm feindlicher Eindringlinge, aber er kommt wieder auf die Beine und zeigt sich letztlich gestärkt.
MBSR-Programm für Stress-Resistenz
Die eigene Resilienz zu fördern, hat etwas mit präventivem Training zu tun. Zu diesem Training gehören Ernährung, Sport & Bewegung – diese zielen zwar in erster Linie auf den Körper, helfen aber auch dabei, das psychische Immunsystem zu stärken. Insofern tut man mit Krav Maga-Training schon etwas für sich, allerdings kann und soll man zur Ressourcenstärkung auch intensiver auf der geistig-seelischen Seite aktiv werden.
Die Praxis der Achtsamkeit ist in den vergangenen Jahren zunehmend bekannt und populär geworden. Ihre Wirksamkeit gilt als gut erforscht und wird auch von der Schulmedizin anerkannt. Das MBSR-Curriculum wurde 1979 von Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn und seinen Mitarbeitern an der Universitätsklinik von Massachusetts entwickelt und an der in diesem Zusammenhang gegründeten “Stress Reduction Clinic” angewendet und evaluiert. MBSR wurde zu Beginn überwiegend Menschen mit chronischen körperlichen Erkrankungen angeboten. Heute wird es darüber hinaus zur Vorbeugung von stressbedingten Erkrankungen und zur Unterstützung bei der Entwicklung gesundheitsförderlicher Lebensführung eingesetzt.
MBSR Kurs: Mit Achtsamkeit gegen den Autopiloten
Was ist MBSR? Da gibt es die klassische Definition von Jon Kabat-Zinn – “paying attention on purpose, in the present moment, and nonjudgmentally, to the unfolding of experience moment to moment.” Lexikalisch wird häufig so etwas wie „sich einer Sache bewusst und gewahr sein“ genannt. Aufmerksamkeit ist ein Teil von Achtsamkeit, aber nicht dasselbe. Achtsamkeit bedeutet vollständig wach und bewusst zu sein, nicht zu schlafen, zu dösen, in Traumwelten zu schwelgen oder zu phantasieren. Achtsamkeit ist die Fähigkeit bzw. entwickelt die Fähigkeit, die Dinge um uns herum gleichermaßen wie die Dinge in uns zu betrachten – bzw. ihre Wechselwirkung. Wir lernen unsere eigenen mentalen Muster zu erkennen. Und das gibt uns die Möglichkeit, aus unserem konditionierten Autopilot-Modus auszusteigen und eine Wahl bzw. eine Entscheidung zu treffen.
MBSR ist unabhängig von Religion oder Kultur, sowie geistigen, emotionalen oder körperlichen Voraussetzungen. Es ist keine Esoterik und nicht verbunden mit irgendeiner Sekte. In der Übung der Achtsamkeit wendet man sich der nicht-wertenden oder -urteilenden Erfahrung des gegenwärtigen Augenblicks unmittelbar zu, unabhängig davon, ob diese Erfahrung als angenehm oder unangenehm empfunden wird. Man betrachtet aufmerksam das, was vorhanden ist, ohne sich in Widerstände, Grübeleien, Erinnerungen oder Zukunftsplanungen zu verstricken.
Egal ob spirituell oder religiös veranlagter Mensch oder Atheist, Geschäftsmann, Sportler oder Soldat – Achtsamkeit kultiviert die Gleichmut gegenüber den Unsicherheiten des Lebens und den ständigen Wechseln und Änderungen. Die moderne Hirnforschung („Neuroscience“) zeigt mit Gehirn-Scans, dass die Achtsamkeits-Praxis nachweisliche Änderungen in den Regionen hervorruft, die mit Fokus und Emotionskontrolle in Verbindung gebracht werden. Gehirn- und Verhaltensstrukturen lassen sich ändern – Hirnforscher sprechen hierbei von Neuroplastizität – und dabei wirksam sind eben Meditation und andere Achtsamkeits-Übungen.
Der Begriff „Achtsamkeit“ und auch Achtsamkeits-Meditation wird mittlerweile vielerorten benutzt, und manche Interpretationen sind sehr individuell. Der MBSR-Achtwochenkurs allerdings hat eine strenge und eindeutige Definition, und einen ebenso strengen und eindeutigen Programmablauf; und er darf nur durch das Bostoner Center for Mindfulness (CFM) an der Medizinischen Fakultät der Universität Massachusetts oder dessen Vertretern qualifizierten und zertifizierten MBSR-Lehrer abgehalten werden (dazu zähle ich; die Doppelfunktion als KMG-zertifizierter Krav Maga-Instructor im Expert 2-Level und CFM-qualifizierter MBSR-Kursleiter dürfte weltweit einmalig sein).
Acht Wochen – sechs Tage – 40 Minuten
Achtsamkeit wird in der Regel durch ein durchaus anspuchsvolles Acht-Wochen-Programm vermittelt – dazu gehört außer den wöchenlichen Treffs, sich jeden Tag in diesem Zeitraum 30-45 Minuten den jeweiligen Übungen zu widmen. Man lernt in dem Kurs, auf Stress nicht blindlings zu reagieren (Autopilot-Modus), sondern mit ihm umzugehen (responding instead reacting). Zu den Kurs-Inhalten gehören folgende Übungen:
- Achtsame Wahrnehmung des Körpers in Ruhe (Bodyscan),
- Achtsame Wahrnehmung des Körpers in Bewegung (einfache Yoga-Übungen),
- Meditation im Sitzen,
- Meditation im Gehen.
Kurzvorträge und Erfahrungsaustausch zu Stress, Umgang mit Gefühlen, Umgang mit dem Körper, achtsame Kommunikation u. a. sind ein weiterer Schwerpunkt. Die Teilnehmer erhalten Audiodateien und ein Arbeits-Handbuch.
Das Programm richtet sich an Menschen,
- die Wege suchen, ihren beruflichen und/oder privaten Stress besser zu bewältigen;
- die einen aktiven Beitrag zur Erhaltung oder Wiedergewinnung ihrer Gesundheit leisten möchten.
- die an Schlaflosigkeit, Nervosität, Konzentrationsmangel oder Erschöpfung leiden;
- die durch akute oder chronische körperliche Erkrankungen belastet sind;
- mit psychischen Beeinträchtigungen und Erkrankungen leben und eine Ergänzung zur medizinischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung suchen;
Weiterführende Artikel: