“Plans are invitations for disappointment”, heißt es; und ja: Man macht Pläne, und dann disponiert man um. Pläne sind gut & wichtig, solange man sich von ihnen lösen kann, wenn sich die Umstände ändern. Für Reisen und Leben gilt das gleichermaßen. Letztlich geht es immer wieder um die Anpassung an die sich andauernd ändernden Bedingungen. Darwin lässt grüßen, Buddha auch.
Wir disponieren um und geben der Gäste-Farm Landsberg den Vorrang gegenüber dem eigentlichen Plan. Der sah die „Kyk in die Pot“-Route (genauer: D727) und einen Besuch in Kolmanskop vor. Schnell sind wir auf der gepriesenen D707, die sich als sehr scenic, aber auch sehr corrugated erweist. Deswegen bin ich mehr damit beschäftigt, die Augen unmittelbar vors Fahrzeug zu richten, dann auf die nächsten zehn Meter, dann auf die nächsten hundert Meter und dann gen Horizont. Und wieder von vorne.
Toyota Hilux als Kalahari Ferrari
Newbies meinen häufig, es reiche auf namibischen Gravelpads den Tempomat auf 120 km/h zu stellen; den Rest richte der in Windhoek gemietete Toyota Hilux mit Camper-Ausstattung schon. Vor allem dann, wenn Farmarbeiter im baugleichen bakkie an einem vorbeibrettern. Da wird gerne zweierlei vergessen oder vernachlässigt: Die Farmarbeiter in ihrem Kalahari Ferrari kennen die Pisten wie ihre Westentaschen, inkl. der Kenntnis, wo wann welche Tiere die Fahrbahn passieren könnten.
Wie das Missachten der Physik bzw. die abrupte Konfrontation mit 200-250 Kilogramm schweren Antilopen ausgeht, kann man bei manchem Auto-Vermieter an einer Schauwand betrachten: Da hängen von Fotos von vielen völlig verbeulten und zerfetzten Fahrzeugen; die vielen Toten sieht man indes nicht.
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Wer also so weit kommt, biegt von der D707 gen Osten ab, dann geht es dann quasi querbeet auf einer kleinen, holprigen, mitunter sandigen bis dicksandigen farm road in Richtung des Kanaan Na’an Ku’se Desert Retreat und der Farm Komiasis. Letztere durchqueren wir in einigen Windungen komplett – immerhin, einen derartigen farm track sind wir bislang noch nie gefahren. Insofern interessant wie spannend.
Jeder Overlander schwört auf seine Navigationslösung; da geht es uns nicht anders. Ich habe einiges ausprobiert; letztlich gilt auch hier: keep it simple & stupid. Deswegen nutze ich ein Smartphone mit einigermaßen großen Display – ich habe keine Lust, mir ein iPad o.ä. innen vor die Windschutzscheibe zu klemmen. Beim Unimog ging das, beim Land Rover nicht. Und ich habe keine Lust, ein extra Kfz-Navi von Garmin o.ä. nur für diesen einen Zweck zu nutzen. Wozu sind Smartphones mittlerweile erstaunliche Multifunktionsgeräte?
Schotterpisten gelten nicht als off-road
In Afrika gelten die analogen wie digitalen Karten von Tracks4Africa als das Maß der Dinge – und für die Nutzung der digitalen ist wiederum Garmin die Grundlage. Will heißen: Um eine Route anzulegen, nutzt man meist das etwas altertümliche Garmin-Programm Basecamp, liest die gewünschte Karte dort ein und legt in Basecamp seine geplante Route oder Track an. Das Ergebnis kann man dann als GPX- oder KML-Datei exportieren und auf ein handliches Gerät übertragen.
In meinem Falle also auf ein Android-Phone und dort übernimmt die App OSMAnd die Kartendarstellung und das Routing. Macht sie erstaunlich zielsicher und korrekt. Der ganze Prozess klingt nicht simple & stupid? Doch, ist er. Abgesehen davon: Zumindest im touristisch erschlossenen Bereich Namibias kann man sich kaum verfahren, weil es nur einige wenige Straßen gibt (die nahezu allesamt Gravelpads sind) und weil diese gut mit Verkehrszeichen und Wegweisern erschlossen sind. Off-road ist was anderes.
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Gute Frage, ob der Farm Track nach Landsberg den Kfz-Versicherungen als off-road gilt (wenn ja, zahlen sie nicht). Schließlich passieren wir nach einigen Windungen das Gatter zur Farm Landsberg – und dann sind es immer noch weitere 20 Kilometer, immer wieder durch haufenweise Kuhfladen.
Eine junge blonde Frau begrüßt uns, die Gattin vom Eigentümer. Seit nicht allzu langer Zeit bietet die Farm auch vier weit auseinander liegende Campsites – mit verhaltenem “Glamping”-Charme, um den Nachbarn von Koimasis (Verwandte!) und deren eher rustic Campsites nicht allzu sehr ins Gehege zu kommen. Unser Stellplatz heißt „Steppe“ und ist fantastisch: Allein auf weitester Flur mit weitem Blick.
(In Namibia kommt man um die häufige Verwendung des Wortes “weit” nicht herum).
So kommt alles zusammen: die Trockensavanne, die Berge, die Sonne, später der rücklings aufgehende nicht-mehr-ganz-Vollmond, die Sterne.
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Am nächsten Morgen steht eine Routine-Tätigkeit an: Unters Auto legen und alle Verschraubungen und Verbindungen prüfen. Wer mal einen so genannten death wobble er- und überlebt hat (siehe: Landy im Death Wobble) , der kontrolliert, was sich beim Gerüttel auf den Wellblechpisten lose oder losgerüttelt haben könnte.
Auf Landsberg treffen wir einen jungen Verwandten des Besitzers; ein hübscher junger Mann, der zuvor als Tauchlehrer u.a. in Thailand und Australien gearbeitet hat. Natürlich vermisst er das Wasser, den Strand, das Meer. Aber er will nicht mehr dem „Paradies“ nachlaufen, sondern es zu sich holen bzw. vor Ort bauen. Zu diesem Zweck gibt es ein mit Permakultur-Ansatz die-Wüste-urbar-machen-Projekt, das mit Volunteers und Interns arbeitet. Er will das Soziale zu sich in die einsame Abgelegenheit holen. Beeindruckend.
Wir kraxeln und laufen ein bisschen auf der Farm rum. Platz genug ist dafür. Mal schauen, wer hier außer Menschen und Rindern noch so lebt. Das ist sozusagen eine Pflichtaufgabe des Coyote Mentoring. Dann duschen, lesen & schreiben. Schließlich wieder ein Nachthimmel ohne Lichtverschmutzung mit unzähligen Sternen und einem späten Mondaufgang.