Es ist heiß geworden, endlich. Vielleicht 36 bis 38 Grad… das gilt in der sommerlichen Karoo als, hm, warm. Der nicht neue, aber neu erworbene Land Rover 110 Defender, steht in der prallen Sonne; die Riffelbleche der seitlichen Trittbretter scheinen zu glühen. Aber mit dem aufgestellten Zeltdach passt er nicht unter die Schatten spendenden Schilfrohrdächer.
Willkommen im Fahrzeugpark des Amphibiums: Des 110ers interner Name lautet Nr. 5, weil er nach Daihatsu Copen & MG F (Kein Urlaub, sondern Leben), Unimog & Land Rover 90 Defender eben das fünfte ist. „Nr. 5 lebt!“, heißt es, und das tut er im südafrikanischen Stellenbosch, als wir ihn zum ersten Mal unter den eBay-Kleinanzeigen entdecken. 2004er Baujahr TD5: manch beinharter Old School-Land Rover-Fan legt da die Stirn in Dackelfalten – ihm gelten nur TD4 und TDi etwas.
Aber wir haben ja schon einen TD5 – nämlich den kurzen 90er Defender mit Soft Top, der uns auf unserer ersten Wüsten-Reise durch Marokko getragen hat (hier entlang…) und der seit Jahren mein Alltagsfahrzeug in Deutschland ist. Zwischen dem 90er und dem 110 besteht fahrzeugtechnisch von der Basis her – außer dem Radstand – kaum ein Unterschied; ich kenne mich also damit halbwegs aus.
Natürlich ist der in Südafrika hergestellte und ausgebaute 110er kein normaler, sondern ein Camper Car: Mit Zeltdach, Minus-40-Grad-Kühlschrank, viel Stauraum, zwei Batterien und vor allem – Tanks für 180 Liter Diesel ermöglicht rund 1500 Kilometer Reichweite, zwei Wassertanks mit zusammen 100 Litern sorgen dafür, dass das keine Durststrecke wird. Damit fährt der 110er bei 3,5 Tonnen Gewicht genauso viel Versorgungsflüssigkeiten wie der Unimog mit 7,5 Tonnen Gewicht durch die Gegend. Und unser Unimog schluckt 22-24 Liter Diesel auf 100 Kilometer, der Land Rover weniger als Hälfte (bei deutlich größerer Geschwindigkeit).
Allzu viel nachgedacht haben wir angesichts von Zustand und Ausstattung nicht; aber ein Freund besitzt im südafrikanischen Stellenbosch ein Haus: Dessen Nachbar erklärt sich bereit zur Erstbesichtigung des Fahrzeugs und einer kurzen Probefahrt, nach der er das „Daumen hoch“-Signal ins ferne Deutschland übermittelt. Der Freund wiederum erklärt sich bereit, „Nr. 5“ auf seine südafrikanische Firma bzw. deren Versicherung zuzulassen (was einen im wahrsten Sinne des Wortes unbeschreiblichen bürokratischen Prozess mit sich bringt, der sich über ein Vierteljahr hinzieht).
„Nr. 5“ bekam also eine südafrikanische Zulassung und ein südafrikanisches Kennzeichen. Man kann es gegen Zuzahlung frei gestalten, wir wählen: DAMPH – WP. Ersteres ist kein Tippfehler, sondern das Akronym für DasAMPHibium; WP steht schlicht und einfach für Western Province. Ende 2019 besitzen wir also einen 110er Defender mit ZA-Landesschild – aber ihn noch nie gesehen.
Laut Freund, selbst Landy-Fan, bescheinigt der Land Rover-Händler seines Vertrauens in Stellenbosch „Nr. 5“ beste Noten; wir scheinen uns unbesehen was Solides eingefangen zu haben. Es geht am 31.12.2019 in die Luft; Ethiopian Airways bringt uns an Silvester in zwei rund sechsstündigen Flügen von Frankfurt nach Addis Abbeba, und von dort nach Kapstadt. Ein gut organisierter und bequemer Flug, gleichwohl laut. Die äthiopischen Mitreisenden sind so freundlich wie fröhlich, außerdem sehr höflich (und sie sind überwiegend rank & schlank, was man von den meisten weißen Südafrikanern & Südafrikanerinnen auf dem Flug nach Kapstadt keineswegs behaupten kann).
Und so lernen wir DAMPH-WP schließlich kennen, stellen uns freundlich als seine neuen Herren und Damen vor und ziehen ein. Aus Deutschland haben wir dank der großzügigen Gepäck-Regelung von Ethiopian (2×23 kg pro Person) einen großvolumigen roten Hartschalenkoffer mitgebracht, dessen Inhalt an Outdoor- & Offroad-Ausstattung in die zahlreichen Staufächer und -schränke des 110er wandert.
Solcherlei Zeugs haben wir angesichts unserer anderen Fahrzeuge & Fahrten doppelt & dreifach, und so können wir das neue Familienmitglied schon mal ohne Zukäufe und ohne substantielle Verluste zuhause grundausstatten. Besser, sie in Südafrika zu lassen & zu nutzen, als sie für kleines Geld per eBay zu verticken.
Was noch fehlt, erwerben wir vor Ort in 4×4 Mega World, Outdoor Warehouse bzw. Builders Warehouse (Südafrika ist Outdoor-&Offroad-Land; und so drängen auch südafrikanische – wie australische – Anbieter auf den deutschen Markt mit Hilfe etwa von Genesis Import). Letztlich gilt es eine letzte bürokratische Hürde zu überwinden, außerdem steht ein Termin in einer Fachwerkstatt für Kfz-Elektrik an – „der Südafrikaner“, wie wir „Nr. 5“ auch liebevoll nennen, soll noch einen Batterie-Trennschalter bekommen (als Diebstahlsicherung wie als Batterieschutz bei längerer Standzeit).
Auch besichtigen wir seinen Dauerstandplatz bei einem Storage-Anbieter, wo er während unserer Abwesenheit untergestellt wird. Den eins ist Teil des zukünftigen Reise-Konzeptes: „Der Südafrikaner“ bleibt ein solcher; er wird nicht nach Europa verfrachtet, sondern wird das mobile Heim für Touren im südlichen Afrika bleiben. Insofern checken wir seine Funktionalitäten – etwa Zeltdach, Stromversorgung & Batteriekapazität etc. ausgiebig.
Von unseren knapp drei Wochen zwischen An- und Abflug fressen diese Maßnahmen die Hälfte auf, während der wir obendrein von einer Weinprobe zur anderen, einem köstlichen Dinner zum anderen geleitet werden (Stellenbosch liegt in den Winelands, wo eine Winzerei neben der anderen liegt. Wir absolvieren Creation, Webersburg, Cavalli, Delaire Graaf). Das alles ist wunderbar, ebenso die als Ausflüge zur Küste bei Langebaan und Paternoster/Tietiesbaai wie zur Kap-Halbinsel mit dem Kap der Guten Hoffnung gestalteten kürzeren Ausfahrten. So gewöhnt man sich auch an Linksverkehr & Rechtslenkung.
Aber deswegen haben wir Nr. 5 nicht gekauft. Sondern wegen Wüste und Weite. Und da sind wir nunmehr Mitte Januar 2020 auf der ersten längeren Testfahrt mit dem Südafrikaner angekommen – in der (kleinen) Karoo, einer Halbwüste im Western Cape. „Nr. 5“ lebt, und nun soll uns der Südafrikaner zeigen, wie es ist, ein solcher zu sein.