Sind Frauen so? Saskia jedenfalls lässt sich lange bitten; wir sind ihr stundenlang hinterher gefahren, haben gelauscht, geschaut, keine Spur. Ihretwegen haben wir Bäume gestreift und Büsche umgefahren, dass das Holz nur so krachte – aber nur das Knistern im Funkempfänger verriet, dass sie nahe sein könnte.
Unser Fahrer schwenkt eine Art postmoderne Wünschelrute immer wieder in die Luft, und meint schließlich, dass die Dame weniger als hundert Meter entfernt sein müsse. Was ziert sich Saskia nur so?
Und dann sehen wir sie, wie sie träge blinzelnd an einem Baum liegt – und sich von dem massigen Touristen-Toyota mit rund zehn Sitzplätzen nicht im mindesten stören lässt. Nicht aussteigen, warnt Aaron, unser Guide: Solange wir im Auto sind, hält uns die Leopardin für zu große Tiere. Passt nicht ins Beuteschema – aber ein einzelner Mensch auf zwei Beinen ist nicht viel mehr als eine kleine Antilope.
Saskia erhebt sich schließlich, marschiert drei Meter am Fahrzeug vorbei und begibt sich gemächlich auf Futtersuche. Die Jagd besteht im Moment aus „Moving & Scanning“… mal sehen, welche potenziellen Beutetiere es in der Gegend derzeit überhaupt gibt. Sollte sie einen Kandidaten entdecken, wird sie sich anschleichen bis ganz nah dran – und dann aus dem Hinterhalt blitzschnell zuschlagen.
Geparden jagen anders, das haben wir schon im Biologieunterricht gelernt, ihr Fahrgestell ist auf High Speed ausgelegt, d.h. extremer Leichtbau. Gegen Leoparden ziehen sie im Konfliktfall um ein Stück Beute den Kürzeren – was vor allem dann passiert, wenn Geparden-Babys von Menschenhand aufgezogen werden (müssen) und somit von Mama nicht lernen, dass man als Ge- einem Leopard aus dem Weg zu gehen hat.
Das alles und noch viel mehr wird einem Besucher in der Okonjima Lodge erklärt. Nach Verlassen des Etoscha Nationalparks waren wir direkt dorthin gefahren – eine Art privates Naturreservat, das mit den Geldern betuchter Touristen Leoparden und Geparden (und andere Tiere) zu schützen versucht (AfriCat Foundation). Denn der gemeine namibische Farmer zeigt gegenüber diesen Lieblingstieren der „Daktari“-Generation in etwa so viel Begeisterung wie ein sächsischer Schafzüchter gegenüber den aus Polen einwandernden Wölfen. (siehe auch AfriCat-Stiftung)
Leoparden- und Geparden-Reservat
20.000 Hektar ist das Gebiet insgesamt groß; wenn man von der Asphaltstraße zwischen Etoscha und Windhoek südlich von Otjiwarongo gen Westen abbiegt, erwartet einen ein Zaun und ein massives Tor, an denen der gutgelaunte Wärter peinlich kontrolliert, ob man angemeldet ist. Dann sagt er so was wie: Fahrt zehn Kilometer die Piste entlang, dann kommt ihr an den inneren Zaun und das innere Tor. Dann noch mal zehn Kilometer bis zu einem Automatik-Tor. Und dann noch so fünf Kilometer bis in den eigentlichen Lodge-Bereich, der sich über x-Quadratkilometer erstreckt.
Die Rezeption findet sich nach ein wenig Umherkurven in einer riesigen Edel-Lodge, unsere Campsite liegt wiederum fünf Kilometer davon entfernt, am äußersten Rande des inneren Bereichs, der gegen die lästigen Paviane abgeschottet ist. In Okonjima werden Leoparden und Geparden versorgt, wieder aufgepäppelt und nach Möglichkeit, – wenn sie sich noch nicht zu sehr an Menschen gewöhnt haben -, wieder ausgewildert.
Dann leben sie auf der riesigen Länderei zusammen mit all den Tieren ihrer üblichen Umgebung – aber sind gegenüber den Bereichen, in denen Menschen unterwegs sind in etwa so abgeschottet wie die Dinosaurier in Jurassic Park. Über die Arbeit der AfriCat Foundation samt Großkatzen-Klinik, Museum, Ausstellungsräumen, Tier-Modellen in Lebensgroß informiert uns und andere Besucher eine Führung noch am Nachmittag.
Auf der Tour durchs Gelände kommen wir auch an fünf extrem entspannten Geparden vorbei, die auf Armes Reichweite im Schatten eines Baumes liegen und sich kaum die Mühe geben, mal den Kopf zu heben. Die Tiere im Park, so Aaron, sind Fürsorger, Forscher wie Fahrzeuge gewohnt, tatsächlich stören sie sich noch nicht einmal am Brummen des schweren Toyota-Motors.
Auf unserer Campsite fühlen wir uns beim nächtlichen Lagerfeuer fast alleine. Wären da nur nicht die beinahe unheimlichen Stimmen von … Pavian? Kudu? Oryx? Warzenschwein? Leopard? Irgendein Vogel? Unverständlich bleibt, warum es manche Menschen in die Natur, in die Wildnis, die Weite, die Wüste zieht – um dort als erstes Musikboxen aufzubauen und die Umgebung zu beschallen.
In Okonjima sind zwar die nächsten Campsite-Nachbarn einige hundert Meter weit weg platziert, aber der Schall brummender Rockmusik dringt in beiden Nächten zu uns herüber. (Unvergesslich bleibt ein Abend während einer unserer Marokko-Fahrten, als Schweizer Mitfahrer mitten in der Stille der Wüste alpenländische Schlagermusik aus den geöffneten Fenstern ihres Unimogs dröhnen ließen.)
Am nächsten Morgen geht es um 5 Uhr raus; eine weitere Führung bringt uns zum Leoparden-Tracking. Guide Aaron fährt mit uns in den abgegrenzten Bereich; wir suchen und finden Saskia und begleiten sie eine Weile durchs südafrikanische Unterholz. Wir waren mit Delfinen schwimmen (Hawaii), mit Buckelwalen und See-Leoparden kayaken (Antarktis) und nunmehr „auf Du und Du“ mit Saskia, der Leopardin…