Ein Landy am Straßenrand in Spanien kommt nicht immer aus Großbritannien – es kann sich um einen Lizenznachbau handeln, einen so genannten Land Rover Santana. Die Firma Santana Motor, S.A. fing 1961 an, vom Agrarmaschinen- zum Geländefahrzeugbau zu wechseln, indem sie in Einzelteilen komplett angelieferte Land Rover-Modelle zusammenbaute und unter dem Namen „Land Rover Santana“ verkaufte – an die vielen spanischen (begeisterten!) Bauern, aber auch an die Guardia Civil. ([-> Santana Motor)].
Um 1990 fand das ein Ende, und so kann man davon ausgehen, dass Exemplare wie das im vorstehenden Bild einige Jährchen und einige Kilometer auf dem Buckel haben. Wie einer meiner besten Freunde, Kfz-Meister seines Zeichens, zu sagen pflegt: Das ökologischste Auto ist das, was weiter gefahren wird. Gemessen an Stückzahlen und vor dem Hintergrund, dass angeblich 70 Prozent aller jemals gebauten Land Rover irgendwo in den Weiten dieser Welt immer noch fahren, ist der Landy trotz seines Rufs als Dieselstinker eines der nachhaltigsten Autos der Welt.
Wer einen Landy fährt, weiß, dass dessen Turbodiesel mit 150.000 Kilometer auf dem Tacho bestenfalls als Jungspund zu gelten hat, der gerade mal richtig eingefahren ist. Wohl kaum eines der modernen Fahrzeuge mit ihrer energieintensiven Herstellung kann da mithalten. Ist also immer eine Freude, beim Cruisen in Galicien einer solche Pretiose zu begegnen. Und das ist gar nicht so selten der Fall; besonders nicht in dieser autonomen Region Spaniens, wo rund 94,9 Prozent der Firmen Kleinstunternehmen mit bis zu neun Beschäftigten sind und der Anteil des Agrarsektors an der galicischen Wirtschaft 12,8 Prozent beträgt.
Zerbröckelnde Ruinen und verlassene Dörfer begegnen einem nicht selten bei Rundfahrten auf den schmalen und verwinkelten Nebenstraßen. EU-Gelder haben dafür gesorgt, dass die Hauptverkehrsadern gut ausgebaut sind, und so mag ein SUV hierzulande tatsächlich eine gewisse Berechtigung besitzen: Eine galicische Familie mit nach wie vor mehreren Kindern, die beim Besuch der Großeltern zu den Bergdörfern abbiegt, kann Komfort ebenso wie Transportvolumen, Höherlegung wie Allradantrieb brauchen. Umso mehr, falls sie das Inventar für ein kleines Familienfest transportieren muss.
Mit dem MG Cabrio, als Roadster ohnehin tiefergelegt, auch noch auf Niederquerschnittsreifen daherkommend, musste ich schon an der ein oder anderen Stelle auf einer Nebenstraße oder in einem Dörfchen umkehren. Und jede Ausfahrt scheitert schon beinahe an der Ausfahrt des Hauses im bewaldeten Bergterrain: Der MG setzt fast jedes Mal auf, wenn er über die Schwelle des äußeren Tores muss.
Wäre mir das eher klar gewesen, hätte ich wohl meinen Land Rover aus Deutschland mit nach Galicien gebracht. Der 90er Defender wäre in jedem Fall das angepasstere Fahrzeug gewesen – auch und gerade, was die Zuladefähigkeit anbelangt. Auf den kurvigen mittleren bis kleinen Bergstraßen freilich ist der MG mit seinem Mittelmotor in seinem Element und so kann man zu Stauseen, römischen Hinterlassenschaften (→ Aquis Querquennis) und historischen Kirchen aus westgotischer Zeit u.a.m. sausen.
Alte Gemäuer liegen zuhauf am Straßenrande, ob Häuser oder Mauern. Häufig überwuchert von Gräsern, Moosen und Flechten. Pueblos Abandonados („aufgegebene Dörfer“), die viele Fotografie-Interessierte als Variante des Urban Exploring oder Lost Places aufsuchen, gibt es in Galicien nicht wenige – das klingt romantisch. Wenn man die lilalustige Sonnenbrille abnimmt, ist es das in der Realität eher weniger: In dem Dorf, wo ich zeitweilig zugegen bin, gibt es nur einen einzigen Jungen. Einen Ort weiter wohnen nur alte Leute in antiquarischen Behausungen.
Dererlei Zustände gibt es in ganz Spanien. In Aragon hat sich sogar eine regionale politische Bewegung dazu formiert: „Teruel existe“ – „Teruel existiert“. Aus der hat sich eine landesweite entwickelt – die des „geleerten Spaniens“ („España vaciada“ -> El Pais: How depopulation of rural areas is fueling political protest against ‘emptied Spain’). Bei der Rückkehr in die heimischen vier Wände ist man froh, dass diese solide sind und in ihnen außer einer Ölheizung ein Kaminfeuer wärmt. Holz vor der Hütt’n hat’s genug.