Claus-Peter sagt, das dauert – Wochen. Weil es so lange dauert, die Ersatzteile zu bekommen. Herrje – Nr. 5 steht in der Werkstatt von Mette’s Autoelectrical in Stellenbosch aufgebockt, Teile von Transferbox und Gearbox und Vorderachse liegen unter oder neben ihm. Frontdifferential und andere Getriebeteile werden zu einer benachbarten Werkstatt gebracht, die auf so was spezialisiert ist.
Wir haben also kein Offroad-Fahrzeug mehr für die verbleibende Zeit in Südafrika. Aber nur in Stellenbosch am Pool rumhocken, ist für uns halt nur was für einige wenige Tage. Also mieten wir uns einen Haval H1, ein kleines chinesisches SUV. Gibt es in Deutschland nicht, aber in Südafrika. Vierradantrieb hat das Auto nicht, aber etwas erhöhte Bodenfreiheit (→ siehe Vierradantrieb wird überschätzt, Bodenfreiheit ist alles!) und zu wenig PS.
Jedenfalls tut sich der Haval beim Überholen auf Südafrikas „Highways“ schwer, und einer davon, die N1 gen Osten soll uns nach Matjiesfontein leiten, um dort gen Norden auf die R354 Richtung Sutherland abzubiegen. Tapfer klettert der Haval den Bergpass hoch – schneller wäre ja unser Defender ja auch nicht gewesen. Am Tjol se Gat Tollhuis (tatsächlich eine ehemalige Zollstation, heute Abfüllpinte) vorbei, erreichen wir die Roggecloof Gästefarm – unser Ziel.
Das Roggeveld („Roggenfeld“) liegt in, so sagt man, der kältesten Gegend Südafrikas, unweit der knapp 1800 Meter hohen Gipfel Sneeukop („Schneekopp“) und Salpeterkop. Hoch gelegen, fern aller größeren Ansiedlungen ist die Gegend berühmt für ihren ungetrübten Blick auf den nächtlichen Sternenhimmel – weswegen auch sie auch unter der Bezeichnung Spaceport Karoo angepriesen wird. Zu Recht.
Die Roggecloof-Besatzung hat während der Lockdown-Phasen die Hände nicht in den Schoß gelegt, sondern entschlossen Baumaterial und Werkzeug angepackt und rundum renoviert und neu erstellt. Natürlich in der Hoffnung, dass auch bessere Zeiten und damit Gäste kommen. Wir beziehen eines der wunderbaren Chalets und haben freien Blick auf eine Ebene, die besonders morgens von Dutzenden Springboks besucht und beweidet werden. Live-Kino der ganz großen Panorama-Art.
Wir sind nahezu alleine. Die Guides und Bedienungen kümmern sich rührend und sehr persönlich um uns. Der Küchen-Chef aus Malawi ebenso, besonders als er von unseren vegetarischen Wünschen erfährt – und das in einem Land, in dem getötete Tiere haufenweise mit größter Selbstverständlichkeit verzehrt werden. Dass es Vegetarier gibt, ist nicht unbekannt – aber essen die nicht wenigstens Huhn? Diese Frage kommt in (Süd)-Afrika durchaus vor, aber nicht in Roggecloof. Aber Fisch muss es an einem unserer beiden Abende sein.
Wir lernen Sam kennen, Guide. Nun, eigentlich Samantha, die eine Ausbildung als Wildnis Guide absolviert und die vergangenen Monate und Jahre ihres jungen Lebens mit den Geparden auf der Farm verbracht hat. Sozusagen als Cheetah-Wisperer. Ihr hilft ein Funkhalsband um den Hals der Tiere, diese ungefähr auf dem riesigen Farmgelände auszumachen. Aber die letzten Meter gehen wir zu Fuß auf unserer Exkursion und versuchen, die großen Katzen ausfindig zu machen.
Im Gebüsch und Gestrüpp versteckt, träge und müde, fallen die Geparden nicht so schnell auf – auch, wenn man ihren ungefähren Standort bestimmen kann. Sam und Kara, eine neue Guide in Roggecloof, gehen vor und hinter uns – im Gänsemarsch. Sam erklärt uns, dass wir so die Silhouette eines größeren Tieres für die Raubkatzen darstellen; zu groß, nicht ihr Beuteschema.
Unsere Führerin kennt alle Tiere geradezu persönlich und spricht mit ihnen. So stehen wir sozusagen unter ihrem Schutz – und dem Vertrauen, dass die Cheetahs zu ihr haben. Die leichtgebauten Sprinter sind völlig auf Speed ausgelegt, verfügen daher nicht über die kräftigen Gebisse und Muskulatur ihrer Anverwandten, Leoparden und Löwen.
Sie töten ihre Beute nicht durch einen Biss ins Genick, sondern in die Kehle – und erwürgen diese dann quasi. Kurzum, auch von einem Geparden möchte man sich nicht beißen lassen… Wir kommen ihren auf rund 20 aufgeregte Schritte nahe. Lohn der kleinen Gruppe und Sams Vorarbeit – und die treibt sie auch hinaus zu den Tieren, wenn dichter Schnee in den Wintermonaten auf dem Hochplateau liegt.
Irgendwann müssen wir uns von den Cheetahs losreißen. Sie sind eine Investition – für die Farm. Ebenso wie die Springboks, die morgens vor den Fenstern der Roggecloof-Chalets grasen. Sie erfreuen uns nach dem Aufwachen – und dafür sind sie auch gedacht. Aber auch dafür, den Geparden als Futterquelle zu dienen. Eine solche Gästefarm zu unterhalten, ist zwangsläufig immer auch ökonomisches Kalkül. Die Zahlen müssen stimmen.
Da zählt nicht nur romantische Tierliebe. Aber nur diese bringt zahlungskräftige Touristen gen Sutherland. Ebenso wie der beeindruckende Sternenhimmel, die Führungen zu den zahllosen Fossilien, die auf dem Farmgebiet herumliegen, und – selbstverständlich – Verköstigung und Unterbringung. Unser Chalet ist simplizistisch-stylistisch so detailverliebt-liebevoll eingerichtet, dass wir das Popup-Rooftop-Tent unseres in Stellenbosch aufgebockten Land Rovers auf keinen Fall vermissen.