Als schon nachmittags laute Klänge von Party-Musik herüberschallten, wurden wir misstrauisch. Als immer mehr Fahrzeuge heranrollten und sich auf den legendär weitläufigen Stellflächen unter Missachtung der nachbarschaftlichen Grenzen verteilten, waren wir beunruhigt: Im Januar noch hatten wir begeistert auf der kommunalen Campsite von Spitzkoppe übernachtet – jeder einzelne Stellplatz im Ausmaß eines ausgewachsenen Fußballfeldes, alle extra ausgewiesen und voneinander getrennt (siehe -> Das Brüllen der Seebären).
Und selbst wenn bei nachbarschaftlichen Fahrzeugen & Zelten die Vorräte an Bier & Wein gesellig abgebaut wurden, so waren doch die Toyotas & Land Rovers so weit voneinander entfernt, dass man kaum in seinem Stillebedürfnis beeinträchtigt wurde: Der Sundowner von einem Felsen mit einem Blick in schier unendliche Weite und Ferne ist dort etwas ganz Besonderes.
Aber nunmehr DJ-Krawall inklusive sich überschlagender Ansagen und Besucher, die beim Kuschel-Camping alle Abstandsregeln missachten? Bei einem ausgewiesenen Highlight der Geburtstagstour nach Namibia? Wir waren einigermaßen angefressen, auch wenn… – ja, auch wenn uns die Lärmkulisse und die damit verbundene Stimmung, die vom kilometerweit entfernten Eingangsbereich herüberwehte, seltsam vertraut anmutete.
Na gut, kann man nix machen – außer ‘ner Wanderung…
Des Rätsels Lösung fand sich am nächsten Morgen bei der Abfahrt: Raceday! In Spitzkoppe wird jährlich ein Radrennen organisiert, mitten in Stein, Sand und Staub – mit Mountainbikes natürlich! Am Eingang zum Spitzkoppe Rest Camp waren Start und Ziel aufgebaut, Versorgungsstände und eben alles, was man von MTB-, Marathon- oder Triathlon-Wettkämpfen an Drumherum so kennt – inklusive Musikanlage, Stimmungsmacher und Ansager.
Überall Mountain-Bikes und Menschen in bunten Sport-Klamotten, verschwitzt, aber glücklich – so kennt man das. Schon einmal waren wir unerwartet Zeuge eines – im internationalen Vergleich – kleinen und unbekannten Rennens, das von engagierten Leuten gestemmt und ebenso engagierten Athleten in fast familiären Kreis bewältigt worden war: Der Ultra-Trail im Naut Aran der Pyrenäen (-> siehe Ultra-Trail in Montgarri) wies ebenso wie das MTB-Rennen zusammen mit dem damit verbundenen 10-km-Wüstenlauf an der Spitzkoppe das Merkmal auf, dass es nicht um Stars und nicht um Geld und Ruhm geht.
Sondern um Spaß, Sport fern von den Exzessen der Profi-Welt und gemeinsames Feiern der Teilnehmer und ihrer Freunde & Familien. So, wie es sein soll – so, wie man es bei den ökonomisch effizient durchorganisierten Großveranstaltungen wie etwa dem Ironman in Frankfurt nicht mehr vorfindet. Wir wissen, wovon wir reden – die Triathlon-Langdistanz haben wir dreimal bewältigt, auch an den Marathon-Großveranstaltungen von Berlin, Hamburg und Frankfurt haben wir teilgenommen (und darüber und das Training dazu im Ironblog berichtet).
Unser Unmut wandelte sich natürlich schnurstracks in Begeisterung um und so tauchten wir noch ein Weilchen in die vertraute Atmosphäre ein – offensichtlich waren wir tags zuvor so früh auf unsere Campsite gerollt, dass wir den Aufbau von Start & Ziel (und viel mehr gibt es bei so einem „Noname-Race“ nicht) nicht mitbekommen hatten. (Aber ein bisschen auffällig hatten wir ja schon gefunden, dass so viele Ankömmlinge auf der Ladefläche oder Hängern Mountainbikes mit sich führten).
Dann aber zog es uns weiter gen Norden. Nach vielen Kilometern und Stunden erreichten wir auf Schotterpisten schließlich die Omanduba Gästefarm – dort hatten wir uns für die “wilde” Campsite eingebucht. Was bedeutete, dass es sich weder um ein Luxus-Chalet noch um einen mit Sanitäranlagen ausgestatteten Stellplatz handelt (über die verfügt Omanduba hauptsächlich), sondern um einen Winkel mitten im Busch, den Omanduba an robuste Camper vergibt.
Thelma, die uns an der Rezeption empfing, sprach fließendes Deutsch mit einem Anklang ans Hessische, erwies sich aber als Namibierin der dritten Generation und war in Deutschland höchstens mal zu Besuch von fernen Verwandten gewesen. Sie hatte keine Sorgen, dass wir in der ein paar Kilometer weit entfernten „wilden“ Campsite überleben würden, nur sollten wir uns vor dem Nashorn in acht nehmen, dass sie kurz zuvor entlang der Sandpiste in den entlegenen Bereich gesehen hatte: Das benehme sich aggressiv, bloß nicht stehen bleiben!
Ansonsten sei mit den üblichen Verdächtigen wie Hyänen oder auch Leoparden zu rechnen, nicht so wild, viel Spaß und viel Glück!
Die Campsite erkannten wir dann am einzigen Luxus, einem Wasserfass, sowie an Feuerstelle und dem abseits gelegenen Klo-Verschlag. Der ist durch einen Holzzaun gesichert und seine Lage gewährt, dass tierische Interessenten nicht direkt um Auto samt Dachzelt schleichen – aber wer nachts mit dringendem Bedürfnis raus und dorthin muss, hat möglicherweise hundert spannende Meter vor sich.
Hyänen-Spuren zogen sich durchs Lager und auch bei einer Wanderung am nächsten Tag verriet der Sandboden eines ausgetrockneten Flusses, dass viele Füße von vielerlei Tieren dort entlangkommen… wir marschierten dabei entlang einer vorbezeichneten Route, die auch zu Kletterpunkten führte (menschliche Gerippe fanden wir nicht, immerhin beruhigend).
Lagerfeuer gehört zum Camping in Namibia, Südafrika und der restlichen Welt natürlich dazu – es mag aber sein, dass wir an diesem Abend es besonders auflodern ließen; man weiß ja, dass alle Tiere das Feuer scheuen. Nachdem schon die prähistorischen Jäger & Sammler das Mittel der Brandrodung zur Jagd nutzten, kann man das verstehen. Dennoch: Omanduba teilt sich mit Mirabib die Top-Position der Namibia-Campsites.
Keine Scheu zeigen zwei junge Bushmen vom Living Museum in Omanduba; sie erklären auch, dass man Leoparden mit Steinwürfen von ihrer Beute vertreiben kann – denn, ich erwähnte es zuvor, Menschen riechen und schmecken nicht gut. Sie legen Feuer und haben lange Stöcke, mit denen sie aus großer Entfernung töten können…
Die beiden Ju/’Hoansi-San nehmen uns auf eine Tour rund um ihre Siedlung mit, in der sie nach alter Sitte leben. Nicht alle Living Museums dienen wirklich ihrem ursprünglichen Zweck – dass traditionelle Bräuche, Sitten und Techniken durch den Besuch der Touristen erhalten und weitergegeben werden. Omanduba gilt als ein Ort, in dem nicht billige Touri-Folklore abgehalten wird, sondern der nachhaltige Versuch eines Living Museums unternommen wird.
Unsere beiden Guides erklären jedenfalls, dass der Staat den San die eigentliche Jagd verboten hat – weswegen sie gegen Fleisch-Lieferungen vor Touristen so tun, als würden sie jagen. Man kann vermuten, dass die beiden nie wirklich selbst gejagt, sondern nur von Älteren gezeigt bekommen haben, wie man früher gejagt hat… Aber so wird eben Wissen weitergegeben und lebendig erhalten.
Ähnlich wie ihre „Kollegen“ im Januar in Okonjima zeigten uns die beiden Fallenbau, Spurenlesen, Bogenschießen, außerdem einige Felszeichnungen; außerdem wurden im Dorf anschließend Gesang & Tanz sowie das Herstellen von festen Schnüren aus Pflanzenfasern demonstriert. Und ganz offensichtlich aufgrund unserer Wildnis-Schulung in deutschen Landen (siehe -> Was ist Coyote Mentoring?) konnten wir uns gut mit den beiden Guides über Wie & Warum von all dem austauschen…
Update 13.5.2020: Was das Coronavirus und der Lockdown für eine Gästefarm bedeutet, welche Konsequenzen die konsequente Kontrolle in Namibia bedeutet, lässt sich in einem Bericht zur aktuellen Situation in Omanduba hier nachlesen…