Südafrika VII: Wale in der Walker Bay

Da steigt der Wal unversehens in die Höhe und fällt klatschend ins Wasser zurück. Und noch einmal. Noch einmal. Und: noch einmal. Der Jubel ist groß an Bord, und das umso lauter und exaltierter als eine italienische Reisegruppe 90 Prozent der Passagiere der Whale Watching-Tour ausmacht.

Willkommen an der Whale Coast. Also an der südafrikanischen Südküste westlich und östlich der Kleinstadt Hermanus. Der Guide hat sich vor Ablegen des Touristenbootes viel Mühe gegeben, die Aufmerksamkeit der aufgeregten, überwiegend älteren Italiener/innen – und einiger weniger Andersstämmiger – zu erlangen; recht vergebens, safety rules und andere Verhaltensregeln bleiben ungehört. Das Geschrei, so wird er sich denken, wird umso größer sein, wenn das Schiffchen tatsächlich absaufen sollte.

Ein Schwarzer nähert sich der Gruppe, bleibt aber abseits stehen, öffnet die Arme und die Lippen: Italienische Arien erklingen – für meine Ohren durchaus kunstvoll. Smartphones werden erhoben, die Foto- und Videolinsen richten sich auf ihn. Indes, seine Hände bleiben beinahe leer. Außer mir bemüht sich nur eine andere Dame zu ihm und hinterlässt ein paar Rand.

Beim Auslaufen drängeln sich alle unten, weil es auf dem Oberdeck sehr zieht und außerdem – der Bug des Bootes sticht mitten in die entgegenlaufenden Wellen der kabbeligen Dünung – spritzt die Gischt klatschend über die oben sitzenden Passagiere herein. Den dabei zu hörenden spitzen Schreien nach zu urteilen, möchte man tatsächlich nicht miterleben, wenn das Boot… siehe vorstehend.

Der Held der Salzwasserdusche

Ich habe mich heldenhaft ganz nach vorne gesetzt, von wegen besserem Blick und besseren Fotos. Damit bekomme ich am meisten Salzwasser ab; gar nicht so kalt, aber mich sorgt, was es mit Kamera, Objektiv, Autoschlüssel und Smartphone anstellen wird. Dafür haucht die neben mir sitzende Vietnamesin mit langen schwarzen Haaren, karmesinroten Lippen und dunkler Sonnenbrille mir ein „You’re my hero“ zu – weil ich mich schützend vor sie gesetzt habe. Ok, dafür haben sich die Meerwasserduschen gelohnt.

<Wer von uns Älteren, die noch eine kulturelle Bildung genossen habe, muss nicht an Graham Greene’s Novelle Der stille Amerikaner denken. Wurde auch verfilmt. (Männer sind soooo einfach).>

Als die erste Wal-Mama mit Kalb entdeckt wird, strampeln Passagiere vom Gischt-geschützten Unten nach oben und stellen sich ins Bild. Da helfen auch hartnäckige Ordnungsrufe des Guides nur zeitweilig. In der whale watching season kommen aus antarktischen Gefilden Southern Right Whales und Humpback Whales in die Walkers Bay vor Hermanus – letztere machen sich eher rar, erstere sind zuverlässig zu beobachten. Sagt der Guide.

Tatsächlich ist diese Wal-Mama ein Southern Right, und die kommen zur Versorgung ihrer Kleinen ins wärmere Wasser hergeschwommen. Die Erzeuger haben sich da schon längst aus dem Staub gemacht. <Schiefes Bild! Ruft jetzt der ehemalige Redakteur in mir: Die bewegen sich doch im Wasser!>.

Wegen Naturschutz darf das Boot nicht ganz nah ran – man sieht also den grau-glänzenden Wal-Mutti-Rücken und ab & zu das Schnäuzchen des Nachwuchses aus dem Wasser ragen, wellenumspült. „Piccolo“ und „Piccolino“ ertönt es links & rechts und oben & unten mit energischem Vibrato. Die Vietnamesin ist still. Ich auch, einmal mehr verblüfft darüber, wie sehr Klischees immer wieder zutreffen.

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Auf dem Rückweg springt tatsächlich ein Wal noch mehrere Male aus dem Meer, nahe des Ufers, nahe der Hafeneinfahrt. Ein weiteres Mal bin ich verblüfft: Stört denn den das dreckige Hafenwasser gar nicht? Ausgerechnet hier hupft er rum? Eingeklemmt zwischen Küste, Hafen und den Walbeobachtungbooten im Stundentakt?

Später sitze ich an einem der Whale Watching Points: Doch die Beobachtung der großen Meeressäuger <Stilfehler! Abgedroschener Begriff!> von Land lässt sich mit der vom Wasser aus nicht vergleichen (wenig verwunderlich): Wenn der Wal nicht gerade springt, sieht man kaum mehr als ein Wasser-Gekräusel. Ich fahre mein rollendes Haus zurück zum Campingplatz in Kleinmond, wo ich gestern ankam.

Das war also mein erster Ausflug nach Landung in Kapstadt am 2. Oktober.

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Nach Ankunft in Stellenbosch hat mein Land Rover Defender namens „Nr. 5“ erst einmal neue Gummischuhe bekommen – BF Goodrich-Allterrain-Reifen, mit dreifach verstärkten Seitenwänden. Damit kann man sich recht entspannt auf reifenmordende Schotterpisten begeben. Die Pneus sind teuer, kein koreanisches Billigprodukt, aber ein gewisser Seelenfrieden ist das Geld eben wert.

Ich bin zum neunten Mal im südlichen Afrika; dabei zum ersten Mal im Frühling, bislang immer im (Hoch-)Sommer. Kein Wunder, dass mich die Blumen- & Blütenpracht unversehens in Beschlag nimmt. Bei der Ausbildung zum Wildnispädagogen standen Bäume und Pflanzen – auch und gerade solche, die der Ernährung oder Heilung dienen können und damit Bushcraft-/Survival-Aspekte haben – auf dem Lehrplan. Eine Herzensangelegenheit ist die Flora für mich dennoch nie geworden.

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Die Flower Season im Namaqua-Land an der Westküste mit ihren Blütenteppichen habe ich ohnehin verpasst, aber: Auch an der Küste (und andernorts) ist eine schon dramatische Farbenpracht zu beobachten. Geniet See Berg Blom steht in Afrikaans auf einem der Trittsteine des Wandelpad nahe der Küste in Kleinmond. An dieser weht – wie an Küsten so üblich – ein frischer Wind, und die Brandung dröhnt.

Wie früher schon mal geschrieben: Nordseefeeling an Südafrikas Südküste. Wenn man die teilweise reetgedeckten Dächer der Ferienhäuser und andere Prachtbauten mit weitem Meerblick aus breitflächigen Glasfassaden heraus wahrnimmt, dann sieht man Sylt am unteren Ende des Globus. Aber: keine Mauern, keine Zäune, freier Blick ins Interieur (wo man allerhand Teures erspähen kann).

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Auch wenn Kleinmond und Hermanus ihre Trabantensiedlungen an den Außenrändern haben, in denen die – dunkelhäutigen – Arbeitskräfte leben, so scheint die Kriminalität so gering zu sein, dass es bei Alarmanlagen und Schildern betreffs Armed Response Security bleibt. Vielleicht ist das Gefälle zwischen Haben und Nicht-Haben in dieser Gegend groß, aber nicht so groß, dass es die Armen zu kriminellen Verzweiflungstaten treibt. (Abgesehen davon, dass die meisten spektakulären Mordtaten innerschwarzem Bandenkampf zuzuschreiben sind).

Ich habe mittlerweile festgestellt, dass man das proaktiv-freundliche Grüßen zwischen Schwarz und Weiß eine Art Indikator für Spannungsverhältnisse begreifen kann. Wenn dieser Seismograph zutreffen sollte, dann geht’s hier unten recht entspannt zu.

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