„This is the Tankwa“: Die Erinnerung an die nahezu schwarz wirkende Pistenkneipe, in der eine Stimme aus der Dunkelheit sprach, wirkt nach. Vor beinahe fünf Jahren waren wir im Tankwa Tented Camp für eine Übernachtung aufgeschlagen, bevor wir die Tankwa Karoo durchqueren wollten. Es war zu Zeiten der Coronavirus-Pandemie, und es galt in Südafrika absolutes Alkoholverbot, aber das hinderte die Schwarze Besatzung des Tented Camps nicht, Hochprozentiges ungerührt auszuschenken (und die Nachbarn im Umkreis von 100 Kilometern nicht, solcherlei ungerührt zu trinken).
This is the Tankwa sollte wohl bedeuten, dass in der wilden Ferne der Tankwa andere Gesetze gelten oder zumindest: Der Arm des Gesetzes ist nicht lang genug, um dorthin zu langen. Rund um das Tented Camp deuten seltsame Riesen-Metallinstallationen auf die vergangenen BikeBurn-Feten hin (siehe: Vierradantrieb wird überschätzt, Bodenfreiheit ist alles) ,…
…und nicht fern war und ist das berühmt-berüchtigte drogenträchtige AfrikaBurn-Festival – eine Art Ableger des Burning Man-Festivals in der Wüste Nevadas – angesiedelt.
Die Tankwa gilt also als absonderlicher Ort, und ganz abwegig ist das nicht. Es gibt viele Karoo-Teile – Hantam, Camdeboo, Harde Man’s etc. – und so unterschiedlich diese in Vegetation und Mikroklima sein mögen: Nur die Tankwa sticht auf der Landkarte deutlich als eine Art eigene Art von Karoo heraus. Die Tankwa ist spesiaal.
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In den Nationalpark kommt im Wesentlich auf drei Wegen: Über die als Reifenkiller berüchtigte R355 von Westen, von Calvinia kommend von Norden und über den Gannaga Pass von Nordwesten. Wir sind damals an einem geschredderten Frontdifferential gescheitert, dass uns zwei Tage Wartezeit am Gasthaus des Nationalparks und eine spektakuläre Rückfahrt auf einem Lowbed-Truck (siehe: Vierradantrieb wird überschätzt, Bodenfreiheit ist alles) eingebracht hat.
Da ich zuvor auf der Ourpoort Guest Farm war und von Middelpos komme, fahre ich an der Gannaga Lodge und deren hübschem Kliphuis vorbei den (Achtung: Floskel) „atemberaubenden“ Gannaga Pass runter. Die Tankwa Karoo gilt zwar als die Succulent Karoo, sieht für mich aber genauso aus wie auf der anderen Seite der Bergkette. Die Piste ist immer wieder sehr wellblechig, erinnert also an damals… Hier fährt wohl nie ein Grader durch. Aber nach dem Trauma von Januar 2021 gilt es natürlich, alle schlechten Erinnerungen mit einer guten neuen zu übertünchen. Also los und da runter!
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Der Ranger am Ontvangs des Nationalparks ist nett; die eigentliche Campsite acht Kilometer entfernt und voller Paviankacke. Da putzt wohl selten jemand. Der Private Ablution Block ist zwar schön gestaltet, dafür die Aussicht ausgerechnet durch Büsche und Sträucher sehr eingeschränkt. Mit anderen Gästen säße man cheek-to-cheek, wenn es welche gäbe.
Ein ausgewiesener Hiking Trail ist nicht in der Nähe. Man kann den rumpeligen Zufahrtsweg rauf und runter laufen, und zu den Wassertanks hoch (die trotz aller Wasserknappheit sprudeln). Für knapp 1000 Rand ist das etwas wenig. Wieviel mehr hat da Oupoort geboten; oder erst Kagga Kamma!
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Aber man muss halt damit leben, dass es Volltreffer wie Flops gibt. Ich bin so müde, dass ich erst mal im kühlen Badezimmer auf beigem Teppich & grünem Sitzkissen ein Nickerchen mache. Ein Gewitter zieht auf und vorüber. Und die Tauben sprechen hier einen anderen Dialekt als in Deutschland.
Ein paar Namaqua Sandgrouse stolzieren vorbei, und ein Mungo parkt kurzfristig hinter mir ein. Wenn die alle hier so relaxt sind, wann kommt dann die Cobra? Mr. Mungo und die Sandgrouses kommen morgens und abends und immer näher. Man begegnet ihnen auch auf dem Weg. In der Nahe der Wassertanks sieht man auch mal nen Oryx. In der Ferne rennen vier Hardebeest. Das Baboon-Bellen bleibt fern.
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Perdekloof-Campsite Nr. 3 am nächsten Morgen zu verlassen bedeutet: mal ohne Bedauern abzureisen. So toll war es da nicht. Es geht nunmehr weiter zum Skaapwagterspos – also einem ehemaligen Außenposten für Schafhirten. Besonders begehrt ist diese „Unterkunft“ unter Tankwa-Besuchern nicht. Die meisten ziehen Glamping vor – Ablution Block mit Dusche und Scullery muss schon sein.
Am Skaapwagterspos gibt es gar nichts außer einem (Pfeffer-)Baum und einer Feuerstelle. 12 Kilometer öttelt man einen schmalen Track dorthin; zwischendurch biege ich zu einem Wasserloch ab – dort findet sich eine kleine Herde Gemsbokke, also Oryx-Antilopen. Die „Campsite“ (wild campen wäre jetzt kein bißchen mehr „wild“) liegt an einem Trockenflussbett und zeichnet sich durch massenhaft Fliegen und Bienen aus – letztere stürzen sich auf jedes bisschen Feuchtigkeit. Etwa auf den staub- & sandverkrusteten Hahn des hinteren Wassertanks. Mein Wasserauffangeimer darunter ist im Nu voller Bienen.
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Folglich positioniere ich den Eimer hundert Meter entfernt bei den steinernen Überresten einer Schafhirten-Hütte. Kaum zu fassen, dass der Eimer halbvoll mit Bienen ist, ungeachtet dessen, dass zwei Dutzend ersaufen. Ich baue im ausgetrockneten Flussbett eine eigene Feuerstelle, fahre den Land Rover daneben und damit aus dem Windschatten des Pfefferbaumes, fabriziere Hitze mit dem Essen auf dem Gaskocher und und Qualm mit dem Feuer. Und es wird dunkel.
Nachts fahre ich den Landy aus dem Flussbett wieder hoch, so dass ich im Vollmondlicht auf die bis zum Horizont reichende Ebene rausgucken kann. Und morgens von einem Sonsopkomms begrüßt werde. Hier gibt es teilweise nur noch kleine Graspuschel. Hier verstehe ich, was Halbwüste ist. Und anhand dieser zähen Gewächse verstehe ich, was Resilienz ist.