Südafrika VII/XI: Unterwegs im Karoo-Alltag

Ein Einkaufsladen heißt in Afrikaans „Winkel“ (eine Schnapsbude daher „Drankwinkel“). Im Winkel von Middelpos sieht es aus wie ich mir damalige DDR-Einkaufsläden vorstelle: Halbleere Holz-Regale mit viel Patina ziehen sich durch einen eher dunklen Raum, Brot nein, Kartoffeln ja. Ein paar Konservendosen, bei denen ich mich bediene.

In Sutherland führt eine Asphaltstraße zum SALT (Southern African Large Telescope), dann rumpelt man auf einer passablen Gravelpad 100 Kilometer nach Fraserburg. Am Straßenrand ziehen viele Windpompies vorbei; bei jeder denke ich, dass man da eigentlich wild campen können müsste. Aber auch die Schaf-Farmen entlang des Weges – schon aus der Ferne leicht daran zu erkennen, dass da ein Gebäude mit weißen Wänden & grünen Dächern neben einer Windpompie inmitten einer Baum-Insel steht – weisen darauf hin („stay!“), dass man bei ihnen sein Lager aufschlagen kann.

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Stichwort Windpompie: Sie ist das Wahrzeichen der Karoo schlechthin und sie hat die Besiedelung dieser kargen Landschaft überhaupt erst möglich gemacht. Aber sie weicht nach und nach dem Fortschritt in Form von Solar-betriebenen Pumpen. Und da gibt es tatsächlich Leute (in Marketing-Abteilungen der Solarpanel-Hersteller), die behaupten, ein kleines Solarpanel würde das Landschaftsbild weniger stören als eine Windpompie. Gut, dass es andere Leute gibt, die darauf verweisen, dass so manche Windpompie seit 70 Jahren Wasser aus dem Boden befördert. Das muss so eine Solarpumpe erst mal schaffen…

Was beinahe tatsächlich nötig wäre: Fraserburg ist ziemlich klein, und der anvisierte Caravan Park etwas außerhalb tot. Vielleicht liegt’s an der off-season, dass ich vor einem verrammelten Gitter stehe. Zurück nach Fraserburg, dort betreibt Irene beim Kliphuis-B&B auch eine kleine Campsite am Ortsrand. Auch dort sieht alles sehr geschlossen und nach Winterschlaf aus – aber man kann anrufen. Irene entpuppt sich als vitale elder lady; sie öffnet die Campsite – und siehe da: Da steht ein Landy auf dem Gras, geradezu ein Zwilling des meinigen! Aber jener hat einen fetten Offroad-Trailer im Schlepptau.

Irene zeigt mir Bad & Klo für die Gäste – bitte nicht verwechseln mit der Tür direkt daneben, dort ist ihre Dusche. Irene teilt also ihr Haus mit ihren Gästen, und von einem Willem, dessen Telefonnummer auch am Eingang außen prangt, ist weit und breit nichts zu sehen. Gänse nebenan schnattern, Hunde bellen, ob die Viecher zum Kliphuis oder zum Nachbarn gehören? Wäsche trocknet im Wind, die Wäscheleinen stehen im Staub, den das Haus umgibt, auf dem kleinen Flecken Gras stehen die beiden Camping-Land Rover im Schatten der Bäume.

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Ein Corbelled House dient als Cottage für weitere Übernachtungsgäste. Diese Häuser wurden in der Karoo mit einem runden Dach aus Steinen gemauert, weil es keine Bäume in der Gegend gab, aus denen man Holz für eine übliche Dachkonstruktion gewinnen konnte. Heutzutage dienen sie gerne als Touri-Attraktion.

Irene scheint klein-aber-fein über die Runden zu kommen, Fraserburg wirkt friedlich. Was wird aus ihr, wenn sie nicht mehr so rüstig ist? Kümmert sich dann der Schwarze Arbeiter, der den Pool reinigt, – oder dessen Frau? – um die alte Dame? Altersheime gibt es in diesen Gegenden wohl kaum. Und eines in der nächst-größeren Stadt wird Irene wohl kaum bezahlen können.

Buchung kontra Zufall

Vielleicht hätte ich in Fraserburg bleiben sollen? Hören, was Irene erzählt? Einfach mal durch das Städtchen latschen und Karoo-Alltag gucken? Statt schon wieder weiter zu wollen? Vielleicht sollte man mal eine Tour machen, bei denen man keine Ziele festlegt, sondern sich einfach darauf verlässt, dass sich unterwegs eine Camping-Möglichkeit ergibt. Und ansonsten den Zufällen freien Lauf lässt.

Aber es bleiben ja nicht mehr viele Tage… Also 100 Kilometer weiter nach Loxton. Ich habe ja den Karoo National Park gebucht, vom 14. bis 17. November, damit war ich festgelegt. Loxton ist rechtwinkelig angelegt, mit Kirche und Kreisverkehr in der Mitte und hübscher, als ich es in Erinnerung hatte.

Bettel-Jungs und Touristen

Der Karoo National Park mit seinen Löwen liegt direkt neben Beaufort West; dorthin führt direkt eine Gravelpad, aber die erweist sich als so schlecht, dass ich nach zwölf Kilometern Landy-mordendem Geratter aufgebe und umkehre. Da es schon relativ spät ist, entscheide ich mich gegen die Bokpoort Road quer durch die Berge (über deren Zustand ich nichts weiß) und weiche auf den weiten Asphalt-Umweg via Victoria West aus.

Victoria West: Als ich am dortigen SPAR vorbei fuhr, fiel mir auf – das war ja der, wo wir schon einmal waren und angebettelt wurden! Ich wurde auch jetzt wieder angebettelt. Da meine südafrikanischen Freunde mir versichern, ich sähe wie einer der ihren aus, kann des nicht daran liegen, dass ich gleich als typischer Tourist identifiziert werde. Ist es der Overlanding-Landy? Oder dass jeder Fremde angebettelt wird? Die weißen Ortsansässigen kennen die Schwarzen Jungs – die übrigens keineswegs in Lumpen und ausgehungert daherkommen – wahrscheinlich; bei denen versuchen sie es gar nicht erst.

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Fürs nächste Mal lege ich mir ein paar Afrikaans-Sätze zurecht: Jy lyk gesond, nie honger nie. Weet jou ouers dat jy bedel? Hoekom is jy nie by die skool nie?

Nach vielen, vielen Asphaltkilometern biege ich vor/hinter Beaufort West zum Karoo National Park ein. Von den ersten Metern an macht er einen traumhaft schönen Eindruck – aber die Campsite entspricht denen im Kalahari Transfrontier Park oder dem Addo Elephant Park. Die einzelnen Campspots sind zwar großzügig geschnitten und sogar teilweise gepflastert, aber liegen nebeneinander in einem Kreis rund um die Gemeinschaftsgebäude. Das hat mit der „Ich-allein-auf-der-Welt“-Situation in der Tankwa Karoo nichts zu tun. Aber dafür futtert sich ein Kudu-Mädchen wie selbstverständlich vorbei!