Südafrika VII/XIII: Lazyday mit Trampeldusche

Im Untertitel des „Amphibiums“ heißt es ja „Reisen & Leben“, und tatsächlich interessiert mich das Alltags-Leben neben Asphalt- oder Schotterstraßen (Erinnerung: Schotterpisten sind in Südafrika reguläre Straßen, kein Off-Road). Deswegen plane ich meine Routen so, dass sie Backroads nutzen, die kleine Dorpies und Small Towns des Platteland miteinander verbinden. Wie fühlt es sich in den Karoo-Provinzorten an?

Mein Weg vom doch recht großen Beaufort West führt nach Aberdeen. Dort versuchen die Häuser der Weißen im Staub einen Anschein von Hübschheit und Ordnung zu bewahren. Viele Bed’n’Breakfast-Lokalitäten sehen geschlossen aus (ok, es ist Frühjahr, also Off-/Low-Season). Ein bisschen Verweilen ist schwierig, kaum fährt man langsamer, winkt schon ein bettelnder Bub. Der Chronistenpflicht halber: Schwarz natürlich. Dererlei zu dokumentieren, ist immer wieder unangenehm. Aber eben die Realität.

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In Graaff-Reinet gibt es eine noch schönere Kirche als alle anderen, um die herum eine Schwarze bunte Hochzeit tobt. Die ausgelassene Hochzeitsgesellschaft fährt im hupenden Autokorso die Hauptstraßen auf und ab. Und: Soviel gut, edel und extravagant Angezogene! Auch das gilt es festzuhalten.

Die Owl Route führt nach Nieu-Bethesda, wo die Hauptstraße wegen Bauarbeiten geschlossen ist. Wie so viele wahrscheinlich von den Fluten & Überflutungen beschädigt. Durch die Gassen geht es nur im Zick-Zack, hin & her, vor & zurück oder quer durch die Baustellen. Die Gestaltung einiger Häuser kündet von künstlerischem Eigensinn. Das relativ bekannte Owl House mit dem Museum einer verschrobenen Künstlerin sieht wenig einladend aus. Ansonsten der ganze Ort staubig. In Facebook kommt der Marketing-Auftritt des Ortes schicker daher.

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In Nelspoort scheint die wilde (?) Müllkippe in der Nähe vieles zu fragen: Warum ist der Zaun drumherum nicht mehr vorhanden, sondern nur noch die Pfeiler? Wurde er geklaut, hat es niemanden in der Gemeinde bzw. deren Verwaltung interessiert? Ist der Müll weithin verstreut, weil der Zaun fehlt oder hat es niemanden interessiert und man schmeißt seinen Müll einfach irgendwo dazu?

Wäre ich noch professioneller Journalist mit einem entsprechend bezahlten Honorarauftrag, so würde ich bleiben (müssen), um all den Fragen, die sich in Aberdeen, Graaff-Reinet, Nieu-Bethesda und Nelspoort gestellt haben, hinterher zu recherchieren. Den (internationalen) Presseausweis habe ich ja im Gepäck. Aber so etwas ist eben Arbeit – und zwar eine, die viel mehr Zeit und Geduld erfordert als die meisten Leser annehmen.

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Als bloß Reisender aber ist mein Ziel die Ganora Guest Farm – eine feste Größe in Reise-Magazinen und -Führern. Verfügt auch über ein spannendes Hof-Museum samt Bar, deren Wände mit alten Werkzeugen geschmückt sind. Exkursionen führen zu Fossilien, Felsritzungen der Bushmen und medizinisch relevanten Pflanzen.

Auf der Campsite von Ganora bin ich allein, das lädt zu einem Lazyday ein. Will sagen: Schlafsäcke sonnenbaden, Klamotten trampelduschen und lufttrocknen. D.h., Kleidung, die nur mit Staub & Schweiß verdreckt ist, mit in die Dusche nehmen und währenddessen auf ihr herumtrampeln – Seife ist Seife, ob in Form von Shampoo oder Waschmittel; danach auswringen. Das reicht völlig und ist die Grundlage fürs 3-T-Shirt-Rotations-Prinzip: Eins am Körper, eins in der Wäsche, eins am Trocknen. Ist eher eine Methode für sonnenreiche Gegenden.

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Der Ablutionblock von Ganora ist auf schlichte Weise sehr schick. Bin gespannt, wann ein Innenarchitekt das Konzept aus Wellblech, Stein und Holz als letzten heißen Scheiß im Interior Design vermarktet.

Ganora bietet ein paar interessante Wanderwege rund um bzw. auf der Farm. Für die bin ich am Lazyday zu faul. Dafür lädt die still stehende Motorhaube des Land Rover zur Streckenplanung mit Hilfe einer Papierkarte (im Abgleich mit den digitalen Helferlein) ein. Und 220-Volt-Strom aus der Steckdose sowie Wifi laden wiederum zu Blog- & Fotobearbeitung ein. Ein Spaziergang entlang der Farmgebäude muss nach dem Starren auf kleine oder größere Bildschirme noch sein.

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Am nächsten Tag breche ich in Richtung Victoria-West auf, und halte beim SPAR-Markt wie beim TOPS-Alkoholladen – selbst Castle Light, so eine Art Mädchenbier mit wenig Prozent und vom echten deutschen Biertrinker, der sein Leben entlang des Reinheitsgebots organisiert, verschmäht, gibt es nur dort.

Wie zuvor geschrieben (siehe: Unterwegs im Karoo-Alltag), hatte ich mir ein paar Afrikaans-Sätze zurecht gelegt, falls ich wieder von bettelnden Jungen umringt sein sollte. Waren aber keine da… Wieder einmal bei Klischeebildung ertappt.