Schlagwort-Archive: Achtsamkeit

Always be ready for the next five minutes

Schafskadaver im Baum
Tierkadaver in einem Baum

Während der Pandemie-Jahre von 2020 bis 2022 stellte ich fest, dass ich mehr Resilienz aus meiner Krav Maga-Erfahrung schöpfen konnte denn aus dem Achtsamkeitskontext. Im MBSR-Verband gab (und gibt es) Zoom-Sitzungen (etwa den so genannten „Achtsamkeits-Salon“), in denen vor allem die eigenen Sorgen und Ängste verhandelt wurden. Das ist gewiss legitim und sinnvoll. Doch mir ging es dabei zu viel um Selbst-Fürsorge, das Umarmen des eigenen inneren ängstlichen Kindes u.ä. – und zwar in einer sehr defensiven Weise (mein ruppiges inneres Selbst nennt diese „weinerlich“). Die Vitalität, das Selbst-Vertrauen, der offensive (Über-)Lebenswillen des Krav Maga-Trainings war dort nicht zu spüren.

Natürlich habe ich Achtsamkeits-Inhalte in der Hoch-Zeit der Coronavirus-Pandemie bewusst wie unbewusst praktiziert: ruhig atmen, durch-atmen, sich auf den gegenwärtigen Moment konzentrieren. Die Situation so anzuerkennen und zu nehmen, wie sie ist. Im Achtsamkeitskontext gerinnt dies aber zu oft in eine passive Haltung. Wenn es im Krav Maga auf-den-Moment-bezogen heißt: „Always be ready for the next five minutes„, dann gesellt sich „always be ready to pick up a fight in seven seconds“ dazu – und auch wenn das Wort „fight“ eine gewalttätige Situation impliziert, so ließe es sich doch auf alle möglichen Zustände übertragen.

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Felix Baumgartner: Stress beim Sprung

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Photo by Pixabay on Pexels.com

Wer erinnert sich noch an Felix Baumgartner? Das war der scheinbar verrückte Extremsportler, der aus der Stratosphäre auf die Erde herabsprang, um als menschliche Rakete die Schallmauer zu durchbrechen… Offensichtlich ein sehr wagemutiger Mann. Und dass Baumgartner kein Mensch mit schwachen Nerven war, hatte der ehemalige Boxer sowie versierte und routinierte Basejumper in vielen Sprüngen mit einem Fallschirm von Bergen und Hochhäusern bewiesen. Zum Beispiel von den Wolkenkratzern Petronas Towers und Taipeh 101.

Der ehemalige Fallschirmjäger und Nahkampf-Ausbilder des österreichischen Heeres machte jedoch während der Vorbereitung zum Stratosphärensprung aus 39 Kilometern Höhe eine überraschende Erfahrung: In seinem schweren und ungefügen Spezialanzug, der ihm helfen sollte, unbeschadet die Erde zu erreichen, fühlte sich “Fearless Felix” – wie ihn die US-Amerikaner nannten – unwohl. Schlimmer noch: Er verspürte Atemnot und Angst.

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Was hat Krav Maga mit MBSR zu tun?

Beate Bechmann: Krav Maga-Instructorin, Heilpraktikerin, Hypnose-Therapeutin

Was hat Krav Maga (KM) mit Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR) zu tun? Warum können wir* auf der einen Seite Selbstverteidigung und Nahkampf, Fighting Fitness und letztlich Überlebenstechniken und -taktiken lehren und andererseits etwas, was unter den Stichworten “Meditation” oder “Achtsamkeit” daherkommt? Mithin also einerseits etwas, was gerne mit Begriffen wie “hart” oder “tough”, “ruppig” und “rau” assoziiert wird, andererseits “weich” oder “innerlich”.

Ganz einfach. Weil es in beiden Fällen unterm Strich um eins geht: Stress.

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„Joy“ und „Happiness“ in Plum Village

Lotus-Teich: no mud, not lotus!

Plum Village ist ein magischer Ort, doch seine Magie besteht nicht im Ort, sondern in den Menschen, die diesen Ort beleben. Es sind die Nonnen und Mönche, die ihn zu etwas Besonderem machen; es sind die Menschen, die ihn besuchen und mit den „Profis“ und engagierten Laien mit einem fröhlichen Leben erfüllen.

Im Zuge meiner Ausbildung zum MBSR-Lehrer habe ich einige (Schweige-)Retreats besucht, die wesentlich strenger in ihren Regeln und wesentlich genauer in ihren Abläufen organisiert waren. Ein Meditations-Retreat in Plum Village, so mein Eindruck, ist besonders für Neulinge in der Materie geeignet. Das Gefühl hatte ich auch bei meinem kurzen Aufenthalt im vergangenen Oktober (siehe: Retreat in Plum Village)

Es ist aber, so weiß ich nach nunmehr einer Woche Aufenthalt im „New Hamlet“, besonders für die geeignet, die buddhistisch orientierte Schweige-Retreats (in Deutschland) häufig als unerfreulich sauertöpfisch-gramvolle Veranstaltung erleben.
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Retreat in Plum Village

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Hand anlegen: Beate, Nonne, Besucherin (v.r.n.l.) beim Nüsse knacken und schälen.

Dieses Blog handelt vom Reisen und mit Reisen meint man meistens Reisen in In- oder Ausland, jedenfalls in die äußere Welt. Man kann aber auch in die innere Welt reisen, und das ist häufig eine ebenso spannende Reise in ein unbekanntes Land. Wenn man die Haut um den eigenen Körper als eine Art Randbegrenzung versteht, dann gibt es eben Reisen außerhalb dieser Randbegrenzung und es gibt Reisen innerhalb dieser Randbegrenzung.

Bei unseren Schulungen zur Naturverbundenheit und Naturwahrnehmung nach Art der Native Americans beispielsweise haben wir auch erfahren, dass das Outer Tracking (nach Tieren oder Tierspuren) einhergeht mit dem Inner Tracking (den Resonanzen in der eigenen Gefühls- und Gedankenwelt). Das ist insofern interessant, als dass man Meditation und Innenschau meist mit fernöstlichen Philosophien und Lehren verbindet.

Besuch im buddhistischen Kloster

Und tatsächlich sind Beate und ich zu einer Reise in die Innenwelt aufgebrochen, die uns nach Plum Village in Südfrankreich, etwa 80 Kilometer von Bordeaux geführt hat. Dort lehrt der nahezu legendäre vietnamesische Mönch Thich Nhat Hanh Achtsamkeit und Meditation. Besonders für Beate mit ihrem evangelisch-freikirchlichen Familienhintergrund eine ungewöhnliche Tour in ein Neuland.

Eigentlich handelt es sich um ein buddhistisches Kloster, in dem Dutzende Mönche und Nonnen nach Geschlechtern getrennt in drei Unterabteilungen leben (Lower Hamlet, Upper Hamlet, New Hamlet). Und eigentlich handelt es sich bei diesen drei Hamlets um ehemalige Bauern- oder Gutshöfe bzw. Landhäuser. Jenseits der großen Meditationshallen kommen sie mit erstaunlich wenig buddhistischer Deko daher. Manches deutsche Seminarhaus strotzt da eher von Figuren und Figürchen.

Plum Village in Google Earth-Sicht

Meyrac bei Bergerac: Lower Hamlet on Plum Village.

Und ebenso werden alle interessierten Menschen aufgenommen – und dabei keineswegs irgendwelche Bekehrungsversuche gestartet. Man hat die Retreat-Regeln zu beachten, mehr nicht. Die bedeuten u.a. um 5 Uhr aufzustehen und um 5.45 Uhr zu ersten Meditation in der entsprechenden Halle zu sein; von 21 Uhr bis etwa 8 Uhr gilt allgemeines Schweigen. Beim Essen warten alle, bis alle da sind, und alle werden mit einer kurzen Verbeugung begrüßt, wenn man sich setzt.

Das Essen ist vegan, da die Regel gilt, möglichst keinem Lebewesen ein Leid zuzufügen. Das kann dazu führen, dass eine Nonne ein kleines Insekt, das auf dem Teller beim Abspülen entdeckt wird, sorgsam in die Hand nimmt und nach draußen bringt. Fürs achtsame Essen gilt, einen Bissen lange lange zu kauen, und keinen anderen währenddessen schon auf die Gabel zu nehmen. Man soll bei dem sein, was man gerade zu sich nimmt, und nicht in Gedanken oder vor Gier schon beim nächsten.

Be beautiful. Be yourself.

Man ist viel mit sich allein zusammen (und soll das auch sein), gleichzeitig in einer großen Gemeinschaft, die Geborgenheit vermittelt (auch das soll sein). Nicht nur wegen der Geh-Meditation wird man sehr langsam und ruhig, und das wiederum hat wenig mit dem oberflächen Begriff von „Entschleunigung“ zu tun.
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