Bei unserer ersten Querfeldeinfahrt in den spanischen Pyrenäen kommt der Bitibulli gleich an seine Grenzen: Er verfügt zwar über Allradantrieb, Seikel-Geländefahrwerk und Differentialsperre an der Hinterachse – aber nicht über eine Gelände-Untersetzung. Dass die fehlt, merken wir früh an der stinkenden Kupplung. Und da wir mittlerweile viele Jahre mit verschiedenen Offroadern zwischen Island und Südafrika unterwegs sind, nehmen wir an, dass das nicht an fahrerischem Unvermögen liegt.
Wir übernachten nahe rotglühender Mohnfelder in einem Trockenflussbett nahe Benabarre. Tags darauf lenken wir auf Feldwegen nach Fet, wo uns alsbald ein Mann im grünen Pulli winkt. Er gehört wohl zu einem dieser Wiederbelebungsprojekte: Tatsächlich versuchen junge Menschen an manchen Orten, die alten Dörfer zu restaurieren; manchmal leben sie dort illegal.
Ein Landy am Straßenrand in Spanien kommt nicht immer aus Großbritannien – es kann sich um einen Lizenznachbau handeln, einen so genannten Land Rover Santana. Die Firma Santana Motor, S.A. fing 1961 an, vom Agrarmaschinen- zum Geländefahrzeugbau zu wechseln, indem sie in Einzelteilen komplett angelieferte Land Rover-Modelle zusammenbaute und unter dem Namen „Land Rover Santana“ verkaufte – an die vielen spanischen (begeisterten!) Bauern, aber auch an die Guardia Civil. ([-> Santana Motor)].
Um 1990 fand das ein Ende, und so kann man davon ausgehen, dass Exemplare wie das im vorstehenden Bild einige Jährchen und einige Kilometer auf dem Buckel haben. Wie einer meiner besten Freunde, Kfz-Meister seines Zeichens, zu sagen pflegt: Das ökologischste Auto ist das, was weiter gefahren wird. Gemessen an Stückzahlen und vor dem Hintergrund, dass angeblich 70 Prozent aller jemals gebauten Land Rover irgendwo in den Weiten dieser Welt immer noch fahren, ist der Landy trotz seines Rufs als Dieselstinker eines der nachhaltigsten Autos der Welt.
Das spanische Galicien, nicht zu verwechseln mit dem in Polen, ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Das war keine Liebe auf den ersten Blick, sondern zu Beginn dem Umstand geschuldet, dass meine Mutter samt ihrem – spanischen – Lebensgefährten dort seit 30 Jahren wohnt.
Deutsche Menschen neigen dazu, die sonnigen Mittelmeer-Küsten Spaniens mit viel Sonne und warmem Meer anzustreben – ob nun Costa Brava, Costa del Sol oder andere. Ferienhäuser finden sich meist in Katalonien, Andalusien oder Mallorca. Wer will seinen Urlaub schon im Regennassen verbringen? Ist es Zufall, dass nicht wenige galicische Musikanten schwermütige Lieder über Regen (etwa: Luar na Lubre: Chove in Santiago) oder das feuchte Element (etwa: Luar na Lubre: Fonte do Araño) in ihrem regionalen Idiom Galego im Repertoire haben?
Im Corona-Jahr 2020 sollte es im April nach Marokko gehen, im Mai nach Spanien; nach Nordafrika sogar als eine Art Guide für Selbstverteidigung für Reisende & Wildnispädagoge bei einer geführten Lkw-Tour von Eine Welt Reisen – entweder mit unserem Unimog oder unserem Ford Ranger (-> siehe Fortbewegungsmittel). Diese Reisegruppe hätte ich nach Querung des Erg Chegaga und des Lac Iriqi verlassen, hatte einen Abstecher nach Guelmim und vielleicht die Westsahara geplant.
Und von dort die Atlantikküste entlang nach Tanger, um ins spanische Algeciras zu übersetzen. Anschließend ein paar Tage im mir so vertrauten Sevilla, eine Übernachtung in Salamanca und dann eine Weile in Galicien bleiben. So der Plan, selbstverständlich wurde daraus nichts.
Stattdessen: Der Unimog zählt nicht mehr zu unserem Fahrzeugbestand, ist verkauft. Das ging überraschend schnell. Genauso so schnell, wie sich in einem halben Jahr Sars-Cov-2 in der Luft das (Fern-)Reisen geändert hat:
Spanien
ist so etwas wie meine zweite Heimat. Meine Mutter lebt seit
Jahrzehnten dort, zusammen mit ihrem spanischen Lebensgefährten (der
wiederum so etwas wie mein Ersatz-Vater ist). Und mit diesem begann
mein Faible fürs Reisen: Als ich etwa 17 Jahre alt war, fuhr er mit
seinen drei Söhnen und mir als Teenager mit seinem VW 1600 Variant
Kombi in einen mehrwöchigen Zelt-Urlaub gen Südfrankreich und
Spanien.
Die übliche Tour, inkl. Auf- und Abbau der Zelte im Regen.
Vermutlich kann ich aufgrund dieser Erfahrungen bis heute wenig mit
Zelten anfangen und ziehe das feste Dach eines Reisemobils vor. Aber
den Reise-Virus habe ich mir eingefangen, besonders wenn man von
einem Ort zum anderen weiterzieht.
(Es gab damals eine TV-Serie namens „Die Globetrotter“ – ein
Text- und ein Fotojournalist erleben Abenteuer bei ihrer Weltreise -,
die auch nicht unwesentlich dazu beigetragen hat).
Das ist mehr als vier Jahrzehnte her, wir Schüler und späteren
Studenten gingen in den „Spanier“ – eine Kneipe mit urwüchsigem
galizischen Bahnhofscharme, in der geraucht und die Kippen auf den
Boden geworfen wurden. Man konnte die Füße hochlegen, Café
Carajillo trinken, Vino Tinto und dünnes San
Miguel-Bier sowieso. Für unsere schmalen Geldbeutel waren die
Tapas bezahlbar.
Der „Spanier“ – mit ihrem richtigen Namen haben wir die Kneipe
nie genannt – war der Zufluchtsort von Ordnung und Disziplin der
eigenen Familie. Man durfte da alles, was man dort nicht durfte,
inkl. Füße auf den Tisch legen und den Esstisch dreckig
hinterlassen. Im „Spanier“ gehörte das einfach dazu – dort
ging es laut und lässig zu.
Und so ist es eigentlich immer geblieben. Ich war in vielen Ländern mittlerweile, aber Spanien wäre der Raum, in dem ich bliebe. Wo ich bleiben würde. Die zweite Heimat eben. Zwei Gegenden haben es mir dabei besonders angetan, die weit auseinanderliegen, in vielerlei Hinsicht, nicht nur geografisch: Galicien im Nordwesten, Andalusien im Süden.