Schlagwort-Archive: Trailrun

Barfußlaufen in der Natur: Füße sind Gehfühler

antarctica2015_lockroy-14 1

Was macht’n du mit dem Gummischuh? Pinguin zupft an dickem Antarktis-Stiefel.

Gute Bekannte sind echte Barfußläufer. Das heißt, sie laufen immer und überall barfuß, auch im Winter. In der Wüste. In der Kirche. Manchmal ziehen sie rudimentäres Schuhwerk an, aber das ist selten.

Sie haben dafür ihre eigenen Gründe. Innerhalb der mittlerweile entstandenen Bewegung des Barfußlaufens gibt es viele verschiedene Varianten. Allen ist gemeinsam, dass ihre Adepten überzeugt sind, dass das Laufen in Schuhen weniger den Füßen gut tut, als vielmehr dem Einkommen der Mode- und Sport-Schuhfabrikanten.

Sensoren in den Sohlen

Es scheint genügend medizinische/physiologische Evidenz zu geben, dass es eine Vielzahl von Sensoren in den Fußsohlen gibt, die letztlich den gesamten Körper, sein Gleichgewicht, seine Beweglichkeit, seine Gesundheit mit beeinflussen. Und damit beziehe ich mich nicht nur auf die Darlegungen der Fußreflexzonen-Massage.

Ich glaube, zum ersten überraschenden Kontakt mit Barfußgang bin ich im Zuge der Ausbildung zum Kettlebelltrainer gekommen – wiewohl es keine begeisternde Aussicht ist, dass einem eine 20-kg-Eisenkugel auf die nackten Zehen plumpsen könnte, bestand der Ausbilder darauf, dass wir die Kettlebell barfuß bewegen – viel besser sei das für das Körper- und Bewegungsgefühl.

Großer Zeh – vom Greifen zum aufrechten Gang

Die Füße ununterbrochen in enges Schuhwerk zu pressen, scheint dem Körper nicht gut zu tun. Vor allem die großen Zehen sollten sich frei bewegen können – Als wir als Affen auf den Bäumen lebten, diente der große Zeh dem Greifen. Beim später erfolgenden aufrechten Gang ist er einer der wichtigsten Stabilisationsfaktoren.

Weswegen viele Schuhe, die die Zehen aneinander quetschen, womöglich schick, gleichwohl aber ungesund sind. Und je dicker und gepolsterter die Sohle, was vermeintlich Verletzungen vorbeugen und Schmerzen vermeiden soll, umso schlechter. Der Fuß, das Fußgelenk, die gesamte darauf aufbauende Bein- und Körperstruktur, werden in ihrer Funktionalität beeinträchtigt (siehe: NBT-Podcast Transcript: Run for Your Life: An Ancestral Health Approach to Running).

Trägt man ununterbrochen Hand-Schuhe?

Radikale Vertreter des Barfußlaufen halten schon minimalistische Schuhe, sogenannte Barfußschuhe, von denen es mittlerweile viele verschiedene Varianten von vielen verschiedenen Herstellern gibt, für ein Übel. Sie propagieren: unten ganz ohne!

Und die Verletzungsgefahr?

Weiterlesen

Costa Vicentina: von Klippen und Stränden

IMG_3725 (2)

„Bridge over troubled water“

Genug der Städte! Nach Santiago de Compostela, Ourense, Porto und Lissabon nun raus dahin, wo wir wirklich hinwollen als frisch gebackene Wildnispädagogen & Coyote Mentoren – in die Natur!

Von Lissabon ging es über Setubal gen Santiago do Cacem, vorbei an der an sich beeindruckenden Lagune von Santo André – zu schlecht das Wetter, um sie genießen zu können, und zu groß die Hoffnung, es könne mit jedem Kilometer weiter südlich besser werden.

IMG_2687 (2)

An der Ilha do Pessegueiro

Südlich der Vasco-da-Gama-Stadt Sines wollten wir einen Platz finden – angeregt von anderen Dauer-Reisenden und/oder Digitalen Nomaden, die über sich, ihre Fahrzeuge und ihre Standorte via Instagram, Facebook oder eigenen Blogs verhalten Auskunft geben. Denn es gibt eine Art “Kodex”, nicht die GPS-Koordinaten schöner Stellplätze bekannt zu geben – zu häufig kommt es vor, dass alsbald Horden von Weißware-Wohnmobilen mit Spießbürgern aller Länder am Steuer und Satellitenschüsseln auf dem Dach einfallen und die bunten, lockeren Menschen in umgebauten farbenfrohen Bussen, Lkws und auch Unimogs vertreiben.

Man ist also angehalten, mit vagen Angaben auszukommen, anhand von Satellitenbildern u.ä. vor Ort zu navigieren und eben selbst zu entdecken und zu erforschen, welcher Weg wo hinführt und ob an dessen Ende eine Überraschung lauert… kann eine Enttäuschung sein oder die Umkehr, weil man zu hoch, zu breit für den Weg ist; oder Glück zu haben und allein an einem wundervollen Strand zu stehen.

Uns verschlug es schließlich am 5. Januar nach der Ilha do Pessegueiro, nahe einer alten Seefestung und einem einsamen, nahezu leeren Strand-Restaurant, in dem wir abends darauf einen superben Meeresfrüchte-Eintopf genießen sollten. Geschützt im Rücken von Felsen und dem Kastell, mitten in den alten Laufgängen , gingen wir vor Anker. Unimog-Schnauze und Blick gen Meer zu gerichtet.

Dort blieben wir einfach. Man kann auch ziemlich viel damit zu tun haben, nichts weiter zu tun zu haben. Bzw. nichts weiter zu tun als im Hier & Jetzt und den Elementen zu sein.

IMG_20180107_121616

Beate mit „Paratrooper“-MTB

Aber ganz ohne Aktivität geht’s nicht – immerhin hatten wir unsere erst kürzlich erworbenen Klapp-Mountainbikes an Bord, die wir zum ersten Mal on tour dabei hatten und die einer Erprobungsfahrt harrten. Die hatte es dann in sich! Rund 32 Kilometer hin und zurück nach Vila Nova de Milfontes, und das in den Dünen, im Gestrüpp, selbstverständlich immer gegen den Wind… Da wurden die Beine schwer. Passagen im tiefen Sand mussten wir schieben.

Weiterlesen

Trailrunner und Hippies

RIMG0509

Mit der Sonne ins Bett gehen und mit ihr aufstehen, ist ein schöner Anspruch – und bei dem bleibt es auch meist; selbst wenn fürs Meditieren die Zeit zwischen und fünf Uhr quasi als Goldenen Stunde gilt. So auch am Montag: Pott Kaffee im Bett beim Lesen war mir lieber.

Wenn der Geist eine Weile gearbeitet hat, verlangt der Körper nach Betätigung und so bin ich anschließend zum Trailrun aufgebrochen – den Wanderweg von vorgestern gegen den Uhrzeigersinn, also mehr als drei Kilometer steiler Anstieg ohne die Möglichkeit sich einzulaufen… samt Rucksack mit Not-Essen & Trinken, Not-Erste Hilfe-Set, Fleece-Pulli, Regenschutz und dem universellsten und wichtigsten aller Hilfsmittel: das gute alte Palästinenser-Tuch, heute “Shemag” genannt: Schal, Kopfbedeckung, Decke, Handtuch, Mücken- und Zeckenschutz.

Trailrun zur Wasserkuppe

Auf der Wasserkuppe kurze Rast, dann abwärts zurück – und das Runterllaufen ist nicht per se leichter als das Hochlaufen. Die antagonistische Muskulatur ist überrascht, Knie und Knöchel ächzen, und während es hoch auf einem breiten Schotterweg ging, laufe ich runter auf einem steinigen, teilweise glitschigen Trampelpfad.

Am Guckaisee wieder angekommen der Höhepunkt: Schwimmen im 16 Grad kalten Wasser! Direkt mit den Lauf-, sprich: Funktionsklamotten hinein, ein paar Brustzüge, dann eine Weile Kraul, – wenn man drin ist, ist’s gar nicht so kalt – dann auf dem hölzernen Badesteg in nassen Klamotten alleine in der Sonne liegen. Alles gut.

Die digitale Technik hat ihren Preis

Auf dem Weg in die nicht allzu weit gelegene Rhön-Kommune Bischofsheim führt mich mein Lkw- und Womo-Navi, dem ich sicherheitshalber noch mal die Außenmaße meines Fahrzeuges eingegeben habe (600x230x360) zielsicher auf eine schmale Überlandstraße, die einer Baustelle endet. Und danach in die Bischofsheimer Altstadt, die zwar keinen Torbogen aufweist, wohl aber stehen die Häuser teilweise so eng, dass ich fürchte, der übers Fahrgestell herausstehende Wohnkoffer könnte die Schindeln von den Mauern kratzen…

Auch wird die Stellplatz-Suche nicht immer vom schönsten aller erreichbaren Orte geprägt – sondern auch von pragmatischen Überlegungen (Nähe zum Waschsalon) oder auch: Auf den schönen Wald-Parkplatz muss man verzichten, weil die Bäume die Solar-Panels verdecken und daher muss eine Freifläche gesucht werden, wo die Sonne voll auf das Dach des Unimog herabbrennen kann. Die digitale Technik fordert Strom!

Stille: unbezahlbar

Daher steht der Unimog nunmehr mutterseelenallein auf weiter Flur vor dem Gasthof Roth am Kreuzberg und ich genieße Sonne pur und die Aussicht. Mal sehen, ob ich einen Sonnenbrand bekomme und um wieviel Prozent die Batterien in wieviel Stunden nachgeladen sind. Der Stellplatz ist sein Geld – sechs Euro pro 24 Stunden, kein Strom, kein Wifi, keine Ent- und Versorgung – wert. Die sechs Euro werden verrechnet, wenn man im Gasthof zu Abend isst oder frühstückt.

Der Besitzer des Gasthofes (…. www.berggasthof-roth.de … ) joggt mit 5kg-Rucksack vorbei und zum Kreuzberg hoch – siehe da, ein Gleichgesinnter. Er erzählt, dass es den großen Stellplatz mit schönem Ausblick erst seit Anfang des Jahres gibt. Wir sehen einen tollen Sonnenuntergang – ohne Wind, was selten ist, wie der Besitzer betont. Kein Flirren in der Luft. Nachdem der letzte Klosterbesucher herabgefahren ist, herrscht Ruhe: “Diese Stille”, sagt er, “ist mit keinem Geld der Welt zu bezahlen”.

RIMG0512

Ich kehre am Dienstag Mittag zum Pfordter See zurück, mir ist nach Berg nach Wasser zumute. Dort herrscht mittlerweile – die Ferien haben begonnen – reger Bade- und Besucherbetrieb. Allerdings kein Vergleich zum Langener Waldsee etwa… Gandolf – dem Äußeren nach, was die meisten Durchschnittsbürger als “Hippie” bezeichnen würden, parkt mit seinem VW Bus immer noch an der Stelle, an der er schon vergangenen Freitag stand. Ich manövriere den Grünimog wieder neben ihn.

Zurück aus Istrien, meint er, diene ihm der Pfordter See als Eingewöhnung auf die Verhältnisse zurück in der deutschen Zivilisation. Er brauche eigentlich Weite um sich und über sich… und klappere ein paar deutsche Festivals (etwa www.tropen-tango.de) ab, bevor er sich im Herbst auf den Weg nach Portugal mache, um den Winter auf den Kanaren zu verbringen.

Was Freiheit und was Büroarbeit aus einem macht

Gandolf ist groß gewachsen, muskulös, braungebrannt, lange Haare und sorgfältig geschnittener Bart, bewegt sich drahtig und mit guter Körperspannung, aber sehr ruhig und sehr zentriert, in sich ruhend. Die Mehrzahl der Badegäste am See – keine “Hippies”, sondern “Normalos”, sind weiß, fett, unbeweglich, träge, schlaff…

Er kommt mit sehr wenig aus und ist mit wenig zufrieden. Was er braucht, ist Weite und Wärme. Kein Geld, keine Besitztümer. Keine digitaler Schnickschnack, keine Kompensation durch die letzten Gimmicks und Moden. Selbst der VW LT ist ihm beinahe zu viel, meint er.

Ich kraule 500 Meter im See. Wenn ich ein role model hier am See suchen würde, wäre es der “Hippie”.