Über Eselbank nach Wupperthal zur Enjo Nature Farm

Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland…

Der Landy will auch mal gefordert sein. Also wählen wir die Strecke über Eselbank und Wupperthal, die als „4x4only“ gekennzeichnet ist und gen Enjo Nature Farm führt – dort wollen wir übernachten. Eine glückliche Wahl: Die schmale Piste führt durch die Berge, ist gelegentlich ausgeschlagen und winkelig, von Steinen und Felsen umrahmt, während die südafrikanische Sommer-Sonne darauf knallt.

Für Nr. 5, unseren Defender, allerdings keine wirkliche Herausforderung. Immerhin kann die Strecke zu Recht als Offroad gelten. Es erweist sich einmal mehr, dass Bodenfreiheit entscheidend ist; nicht der Allradantrieb oder die Differentiale sperren zu können (solange es trocken ist, selbstverständlich). Wir werden später erst erfahren, dass der Landy die ganze Strecke nur mit Antrieb auf der Vorderachse gefahren ist…

Eselbank und Wupperthal sind Orte fernab der Zivilisation, fernab von kleinen und großen oder gar Super-Märkten. Wir überlegen, dass schon ein Großeinkauf einmal die Woche in Clanwilliam angesichts von Distanz und Straßenbeschaffenheit ein Tages-Unterfangen sein muss. Vielleicht wird nur alle zwei Wochen eingekauft? Überwiegend Konserven? Und wenn man dann etwas vergessen hat? Frisches Obst und Gemüse kann nur aus dem eigenen Garten kommen…

Freilich, auch hier liegen (junge) Menschen im Schatten dösend herum und blicken auf ein Smartphone in ihrer Hand. Wenn man in einer Umgebung aufwächst und leben muss, die der touristische Besucher als atemberaubend empfindet, strahlen die Bilder auf kleinen Displays vielleicht mehr Magie aus? Auch hindert die Landschaft nicht, sie mit wilden Müllkippen zu verschandeln. Man hat ja so viel von dieser Landschaft hier… Da kommt es vielleicht auf ein paar Plastik-übersäte Ecken nicht an?

Wir begegnen auf der Weiterfahrt einem Fahrzeug gleich dem unseren, an Bord ein älteres, kauziges Ehepaar (gleich uns), das mit Begeisterung von Fenster zu Fenster auf einen naheliegenden Wasserfall verweist. Wie häufig, gibt es sofort einen Draht von Overlander zu Overlander, von Landylover zu Landylover, von Naturliebhaber zu Naturliebhaber. Und dann, weiter, jeder in seine Richtung.

Wir irren das an und für sich übersichtliche Wupperthal auf und ab, um den Anschluss gen Osten zu finden. 4000 Leute wohnen dort, Missionare aus dem deutschen Wuppertal haben den Ort 1830 gegründet und das „h“ in den Namen eingefügt. Erst Ende 2018 vernichtete ein Feuer große Teile des Ortes, er wird immer noch wieder aufgebaut.

Eine ordentliche Schotterpiste – „highway-like“ – zieht sich über den Pakhuis-Pass durch die Zederberge. An einer T-Kreuzung biegen wir nach Osten ab und fahren den Biedourivier entlang ins gleichnamige Tal; wenig später gelangen wir an die Enjo Natur Farm. Die entpuppt sich als eine Oase in der Wildnis.

Mann und Frau, Großvater und Großmutter – die Besitzer erweisen sich als großartige Gastgeber mit einem geradezu spirituellen Hang zur Natur… in eigenen Worten:

Als wir im Jahre 2003 diese Farm ganz zufällig gesehen haben, waren wir verzaubert von der endlosen Weite, der Stille, der beeindruckenden Landschaft und den zum Greifen nahen Sternen. Schnell war der Entschluss gefasst den Sprung von unserer Zweizimmerwohnung in München auf diese 2600 Hektar große Farm zu wagen und so begann unser Abenteuer…

Nach langer Reise haben wir hier gefunden, was wir gesucht haben: Eine historische, einsame Farm abseits der Touristenrouten in der Wildnis der Cederberge und der Weite der Karoo Landschaft. Über die Jahre haben wir hier eine Gästefarm geschaffen, die eine kleine Oase ist, in der man die totale Stille und die Kraft der Natur erleben kann.

https://www.soulcountry.info/de/

Wir haben keine Reservierung, bekommen aber von der Granny flugs & freundlich einen noch vakanten Platz auf der Campsite zugewiesen. Den haben zwar andere schon zugesprochen bekommen, sich aber nicht mehr rückgemeldet – und die Granny weiß auch, dass sie mehrmals trotz Reservierung nicht aufgetaucht sind. Wir aber sind da und wollen bleiben. So kommt Nr. 5 im Schatten der Akazien zum Stehen; wir absolvieren einen „Labyrinth Walk“ (-> A Guide To Walking the Labyrinth…) und kommen an.

Stille und Natur nahe zu bringen, der Seele einen Ort zum Verweilen zu bieten, ist in Enjo keine Floskel zum Anlocken von Kunden. Die Großeltern strahlen eine überwältigende Güte aus, bei unserer Abreise zwei Nächte später, wird es Granny es sich nicht nehmen lassen, Hand im Gewächshaus anzulegen und uns mit frischem Gemüse für die Weiterfahrt zu versorgen – ohne einen Rand dafür annehmen zu wollen.

Es gibt mehrere Wanderwege, wir entscheiden uns für einen zweieinhalbstündigen Marsch in der Tageshitze, müssen dabei die steile Stoney Passage überwinden und passieren später das gänzlich abgelegene Lonely Planet– Cottage, das dennoch zur Gästefarm gehört. Hier ist man mit sich und den Sternen wahrlich alleine. Nicht völlig allerdings – Spuren künden von Schafen und Pavianen.

Das sind wir auf unserer Campsite von der Größe eines Tennisplatzes auch: Wir stellen bei Einbruch der Dunkelheit die Campingstühle raus auf das Areal vor den Akazien und blicken nach oben, wo tausende Lichter funkeln.

Am nächsten Tag wird uns der Vater einer chinesischen Familie besuchen, der zuvor mit einem aufgemotzten Defender neueren Baujahrs quer gegenüber in einiger Entfernung Quartier bezogen hat. Mit dem Landy und dessen Ausstattung ist er unzufrieden: Die komplexe Technik des automatisch sich öffnenden Dachzeltes funktioniert nicht – sie schlafen daher in Bodenzelten. Das simple mechanische Prinzip des Popup-Tents unseres Landys hat es ihm als Vorbild angetan.

Und was die Klischeebildung über Chinesen anbelangt: Ja, die Frau des Hauses ist mit einem dieser überdimensionalen Konstruktionen zwischen Hut und Sonnenschirm bedeckt; kaum ein Sonnenstrahl erreicht die weißliche Haut. Typisch chinesische Touristen, oder? Weit gefehlt: Der Mann lebt seit 14 Jahren in Südafrika; ist also mehr Südafrikaner, als wir es wohl noch jemals werden können.